Sehen, wer wir sind.
100 Objekte aus der
Sammlung des vorarlberg museums

Eine Fahrt durch die Ausstellung


Kurator*innen und „ihre“ Objekte

Fotos: Markus Tretter und Robert Fessler (außer anders angegeben)

Franz Bertle | 1828 – 1883
Montafonerin, 1859
Öl auf Leinwand

Der Schrunser Maler schuf mit diesem Gemälde eine Ikone des Montafons, die vor allem im 20. Jahrhundert große Wirkung hätte erzielen können: Die Darstellung einer Montafonerin in Tracht vor einem Montafonertisch in einer alten Bauernstube. Was ist identitätsstiftend für das Tal? Viele würden den Dialekt erwähnen, aber der ist im Fluss und nähert sich immer mehr einer international geprägten Sprache an. An der Straße wird heute für den typischen Montafoner Sauerkäse („Sura Kees“) Werbung gemacht, der aber eine sehr junge Erscheinung am kulinarischen Himmel ist. Die Montafoner Tracht dürfte da schon mehr Tradition besitzen und könnte schon ein heißer Tipp auf die vielleicht richtige Antwort der eingangs gestellten Frage sein. Der Montafonertisch liegt aber bei genauerer Betrachtung noch näher. Obwohl er mit seiner charakteristischen Gestaltung mit Schieferplatte und Holzeinlegearbeiten in Nachahmung der höfischen Tischlerkunst des 16. Jahrhunderts zu sehen ist, werden heute oft Beispiele aus jener Zeit als Montafonertische bezeichnet. Mehr geht nicht! Oder doch: Unter dem Begriff „Montafonerin“ wurde lange Zeit eigentlich die Kuh gesehen (aus der bekannten Rasse des Montafoner Braunviehs). Andreas Rudigier

12. Jahrhundert
Löwenring aus Andelsbuch
Bronze

Angeblich wurde der Bregenzerwald zuerst von Mönchen aus Konstanz besiedelt. 1086 soll eine Klostergründung in Andelsbuch versucht, aber misslungen sein. Um 1097 war das Experiment wieder beendet. Ob die Mönche den aus Bronze gegossenen Türring mitgebracht haben? Oder kam er erst später im Zusammenhang mit dem Bau einer Kirche nach Andelsbuch? Sicher ist jedenfalls, dass er damals in Andelsbuch nicht hergestellt werden konnte. Entsprechende Werkstätten gab es in der Region noch nicht, wohl aber in den größeren Städten Süddeutschlands. Jedenfalls versah der Türring lange seinen Dienst an der Kirchentür in Andelsbuch und wurde von der Pfarre 1965 dem Museum geschenkt. Die genauen Umstände der Besiedelung des Bregenzerwaldes sind übrigens heute noch unklar. Urkunden belegen eine beginnende Inbesitznahme erst ab dem 11. Jahrhundert, paläobotanische Befunde werden von manchen Forschern als Beweis für eine viel ältere Besiedelung interpretiert. Dem steht wiederum entgegen, dass archäologische Funde fehlen, die eine Besiedelung belegen könnten. Irgendetwas, so argumentieren Archäologen, müsste irgendwo gefunden worden sein, wenn Menschen vor 1200 dauerhaft im Bregenzerwald gelebt haben. Was wiegt schwerer: Der Nachweis von Kulturpflanzen oder das Fehlen von Funden? Peter Melichar

17. /18. Jahrhundert
Spanischer Mantel oder „Schandmantel“
aus der Fronfeste Bregenz,
Holz, Eisen

Das Einsperren ist heute – neben Geldbußen – die häufigste Form der Bestrafung (wenngleich es derzeit in 57 Ländern weltweit auch noch die Todesstrafe gibt). Die Gesellschaft soll vor befürchteten weiteren Taten geschützt werden, der Täter muss für den begangenen Gesetzesbruch oder gar ein Verbrechen büßen. Er erhält die Chance, sich in der Haft zu bessern, um sich danach wieder gut in die Gesellschaft einzufügen. Das war nicht immer so: Noch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit dominierten Körperstrafen. Sie markierten meist auch den Verlust der Ehre – etwa durch das Abhacken von Gliedmaßen oder durch Brandmale. Diese deutlich sichtbaren Narben signalisierten das Ausgestoßensein aus der Gesellschaft. Erst im Zeitalter der Aufklärung wurden Gefängnisse als Besserungsanstalten eingerichtet. Als beliebte Ehrenstrafe galt das Umlegen des „Schandmantels“. Wer ihn tragen musste, durfte beschimpft, bespuckt, mit Dreck beworfen werden. In Bregenz kam ein „Lasterstein“ zum Einsatz, den tragen musste, wer sich kleinerer Vergehen schuldig gemacht hatte. Endgültig verschwanden die Schand- und Ehrenstrafen erst durch einen – von der Revolution ermöglichten – Ministeriumserlass vom 31. Mai 1848. Peter Melichar

Ulrich Geser | o.D.
Tragaltar, 1499
Holz, gefasst

Die sakrale Ausstattung in spätgotischer Zeit wird von den Flügelaltären bestimmt, die mit ihren Sonn- und Werktagsseiten für unzählige Geschichten Platz boten. Das war auch notwendig, konnten doch zu jener Zeit die meisten Menschen kaum lesen und waren deshalb abhängig von den Bildern und Geschichten, die ihnen in der Regel der Pfarrer erzählen konnte. 1499 – beachtet man die rückseitig angebrachte gotische „4“, die noch als halbe „8“ geschrieben wird – entstand dieses Kleinod, das eine Reihe von Heiligenfiguren zeigt, die alle für die Sorgen und Nöte der Menschen im ausgehenden Mittelalter stehen. Der hl. Georg und die auf den Rückseiten der Flügel abgebildeten hl. Katharina und Barbara sind Teil der 14 Nothelfer. Die hll. Leonhard und Martin gehören zu den am meisten in der Landwirtschaft verehrten Patronen. Nikolaus war um 1500 der wichtigste Helfer gegen die ständig drohenden Gefahren des Wassers und Theodul mit dem Teufelchen war ein bevorzugt von den Walsern verehrter Heiliger. Dass mit Ulrich Geser, einem Maler aus Bregenz, ein Künstler genannt ist, darf als außergewöhnlich bezeichnet werden, auch wenn uns vielleicht der Name des unbekannten Bildhauers mehr interessiert hätte. Andreas Rudigier

Christoph Lissy | *1957
Modell Nr. IV, 1991 – 1994
Stahl, Aluminium

Christoph Lissy gehört zu den wichtigsten Künstlern Vorarlbergs im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. Der Gironcoli-Schüler hatte sich vor allem dem Stahl verschrieben und seinen eigenen Aussagen nach oft auch Skulpturen geschaffen, für die es keinen Auftrag gab. Die Auseinandersetzung mit der Skulptur wurde bei ihm zu einem peniblen Rechenprozess, bei dem auch Fehler passieren konnten und die zur Rückabwicklung eines Schaffensprozesses führen konnten. Christoph Lissy hat sich folgerichtig immer mehr theoretisch mit der Skulptur beschäftigt und mehr als 1000 Seiten zur Bildhauerei in Kunstsprache geschrieben (seinem Gehirn wurde jenes eines Schriftstellers attestiert). Lissy sucht sich seine Anregungen nicht nur in der bildenden Kunst, sondern gilt als großer Freund der Werke eines Beethoven, Miles Davis oder etwa der Arbeit des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Die Ausstellung Meine acht Väter im Sommer 2019 im vorarlberg museum gezeigt, gab darüber wichtige Aufschlüsse. Andreas Rudigier

Susi Weigel | 1914 – 1990
Titelentwürfe für „Das kleine Ich bin Ich“
Gouache/ Collage /Karton

Jedes Kind kennt die Geschichte vom kleinen Ich bin Ich, dem einzigartigen rosa gemusterten Wesen, das so gerne wissen möchte, wer oder was es ist. Die Erzählung entstammt der Feder von Mira Lobe und wurde von Susi Weigel illustriert. Über die Jahre erreichten die Abenteuer um das kleine Wesen ein Millionenpublikum und wurde in 22 Sprachen übersetzt. Dieses Werk zeigt geradezu exemplarisch zwei Schwachstellen in der Rezeption auf: obwohl die beiden Frauen, die zahlreiche Preise gewonnen haben und ihre Geschichten Teil des kollektiven Gedächtnisses von mittlerweile drei Generationen an Leser*- innen geworden sind, blieb ihnen die entsprechende öffentliche Anerkennung zu Lebzeiten verwehrt. Eine Tatsache, die sie mit zu vielen anderen Künstlerinnen teilen. Zu Unrecht handelt es sich bei Kinderliteratur um eine Sparte, die weder von der Literaturkritik ernstgenommen, noch von der Kunst anerkannt wird. Erst langsam beginnt die Forschung mit der Aufarbeitung der meist in Privatbesitz befindlichen Bestände. Eine schöne Ausnahme bildet das vorarlberg museum, denn es erhielt im November 2018 den Nachlass von Susi Weigel, die rund 40 Jahre in Bludenz lebte, mit rund 1700 Skizzen, Entwürfen für Buchcovers, Fotoalben und originalen Stofftieren übertragen. Kathrin Dünser

Lois Hechenblaikner | *1958
Genieße das Leben
(Teil einer Werkserie), 2007
Fotografie

Jenseits der Ansichtskarte lautete der Titel jener Ausstellung aus dem Jahr 2014, in welcher wir erstmals die Fotografie Lois Hechenblaikners zu Ischgl zeigten. Wir haben damals entschieden, die Arbeit anzukaufen, um vor allem unseren gerade neu eingeführten Sammlungsschwerpunkt zu den Themenbereichen Alpinismus und Tourismus zu stärken. Das Werk des im Tiroler Alpbachtal wohnenden und selber Zimmer vermietenden Lois Hechenblaikner verbindet wie kaum ein anderes Werk diese beiden Themenfelder und zeigt, wie nah die schönen und hässlichen Seiten beieinanderliegen. Wunderbare Winterlandschaften, zuweilen Postkartenidyllen, bestens gelaunte und feiernde Menschen … und verweilt man ein wenig in der Beobachterposition, dann lässt sich alsbald die Kehrseite der Medaille erkennen: Abgründe tun sich auf … scheinbar geschützt durch die Anonymität der Masse, die gleiche Gesinnung des Umfeldes, vielleicht auch durch die hohe preisliche Hürde (das können sich nicht alle leisten) und vor allem sich fern der Heimat und des gewohnten Alltages aufhaltend, dem es offensichtlich zu entrinnen gilt. Aber der Schutz ist eben nur scheinbar, denn Lois Hechenblaikner lauert schon. Andreas Rudigier

18. Jahrhundert
Merbodtafel
Öl auf Leinwand

Merbod kennen Sie vielleicht von der Merbodgasse in Bregenz oder von der Merbodkapelle in Alberschwende (eigentlich dem hl. Wendelin geweiht). Er gehört mit Diedo und Ilga zu den legendären Geschwistern, die adeliger Herkunft waren und im Hochmittelalter den Bregenzerwald missionierten. Merbod wurde weder selig – geschweige denn heiliggesprochen. Der Volksglaube in Alberschwende macht ihn zum Seligen und die hier vorzustellende Tafel spricht sogar vom hl. Merbod. Die Tafel steht möglicherweise mit der Barockisierung der Kapelle in Alberschwende 1742 in Zusammenhang, auch wenn sie sich zeitlich aufgrund des volkstümlichen Stils nicht sicher einordnen lässt. Die Tafel gibt Auskunft über die Merbod zugeschriebenen Wunder: Er machte Blinde sehend, Gefangene wurden frei („beim Türckhen“), Krumme werden „gerad“, Schutz vor Hagelschlag, Kirchenglocken läuten von selbst (beim Begräbnis eines Schumachers, der ein „Liebhaber“ Merbods war), „Bresthafte“ werden bei Berührung des Kolbens, mit dem Merbod erschlagen wurde, gesund und Erde vom Grab des „Seligen“ hilft bei Kopfweh. Andreas Rudigier

Johann Wachter | 1848 – 1894
Jakob Rusch | 1857 – 1921
Georg Baumeister | 1852 – 1927
Vorarlberger Landesmuseum
Tusche, Aquarell auf Papier

1882 wurde im Vorarlberger Museumsverein ein Dreierkomitee gegründet, um den Museumsbau voranzutreiben. In den darauffolgenden Jahren wurde ausgiebig über den idealen Bauplatz für das neue Landesmuseum diskutiert. Die Stadt Bregenz stellte hierfür einen Bauplatz am Schwanenteich (heute Weiherspielplatz) zur Verfügung. Der Verein reagierte zurückhaltend, da hohe Kosten für die Fundamentierung befürchtet wurden, und suchte Alternativen. Die hier gezeigten Entwürfe für einen Museumsbau sind zwischen 1892 und 1902 entstanden und zeigen Gebäude im historistischen Stil der Renaissance, bei Jakob Rusch verbunden mit Elementen des Heimatstils. Eine Formensprache, die im ausgehenden 19. Jh. für kulturhistorische Museen sehr beliebt war. Alle drei Urheber waren Mitglieder des Museumsvereins. Im November 1895 bot die Stadt Bregenz einen Baugrund am Kornmarktplatz an, der vom Museumsverein einstimmig angenommen wurde. 1898 wurde Georg Baumeister als Architekt für den Neubau des Landesmuseums gewählt. Nach Abstimmung mit der seeseitigen Bezirkshauptmannschaft, entworfen von Baurat Hugo Ritter von Schragl, konnte der Bau 1902 endlich begonnen und im Juni 1905 feierlich eröffnet werden. Ute Denkenberger

Stephanie Hollenstein | 1886 – 1944
Lünersee nach Gewitter, 1937
Öl auf Leinwand

Bergseemotive wie der Lünersee waren seit Mitte der 1930er Jahre ein beliebtes Thema in Stephanie Hollensteins Werk. In reinen, expressiv leuchtenden Farben spiegelt sich die Gebirgssilhouette in reduzierter Formensprache im See. Als Kind einer Lustenauer Bauernfamilie studierte die Künstlerin ab 1903 an der Kunstgewerbeschule in München. Nach Studienreisen nach Italien und einem Stipendium in der Villa Medici in Rom kehrte sie im Sommer 1914 nach Lustenau zurück. Zu Kriegsbeginn meldete sie sich aus Patriotismus als freiwillige Sanitäterin. Nachdem dies abgelehnt wurde, rückte sie 1915 als „Stephan Hollenstein“ mit Kurzhaarschnitt nach Südtirol ein. 1917 schied sie als Kriegsberichterstatterin aus dem Militärdienst aus und baute sich in Wien ihre Karriere auf. Ihr späteres Naheverhältnis zum nationalsozialistischen Regime wirft bis heute die Frage auf, wie man zwischen Kunst und Künstlerin unterscheiden kann. Seit 1938 war sie Vorsitzende der Vereinigung Bildender Künstlerinnen und damit eine der einflussreichsten Künstlerinnen in der Zeit des Nationalsozialismus. Trotzdem wurde ein Ansuchen zur Verleihung des Professorentitels 1942/43 abgelehnt, da ihr Schaffen nicht geeignet sei, „dem von ihr betreuten Kreis von Kulturschaffenden Anregungen im Sinne der vom Führer gegebenen Richtlinien zu geben.“ Ute Pfanner

Nikolaus Walter | *1945
Nenzing-Heimat, 1994
s/w-Fotografie, 
Vintageprint /Barytpapier 

Straßenansicht des „Cafe Heimat –Türkische Spezialitäten“ mit drei Tischen und einem Gast, der mit dem Rücken zur Kamera sitzt. Die Fotografie ist Teil einer umfangreichen Serie einfühlsamer Porträts der ersten Generation türkischer Gastarbeiter*innen. Vom Ende der 1960er Jahre bis 1990 begleitete Nikolaus Walter Menschen, die aus der Türkei zugewandert sind. Daraus entstand eine umfassende Reportage der Lebens- und Arbeitswelt von Migrant*innen in ihrer neuen Heimat Vorarlberg. Die Serie ist unter dem Titel Landlos. Türken in Vorarlberg auch in Buchform erschienen. Das vorarlberg museum erwarb 50 Abzüge daraus. Kathrin Dünser

2. Jahrhundert v. Chr., verborgen um 100 v. Chr.
Lauteracher Silberschatz
Fundort: Lauteracher Ried
Silber, Bronze

Der „Schatz von Lauterach“ wurde im Sommer 1880 beim Torfstechen im Lauteracher Ried gefunden und kurze Zeit später vom Vorarlberger Landesmuseumsverein angekauft. Noch heute rätseln die Archäologinnen und Archäologen, warum dieses wohl schon in der Latènezeit wertvolle Ensemble an dieser abgelegenen Stelle in den Boden gekommen ist. War es eine Weihegabe, vielleicht einer Frau, an eine Naturgottheit, geopfert im Herbstnebel in der mystischen Abgeschiedenheit des Moores? Oder hat hier jemand angesichts einer drohenden Gefahr versucht seinen Besitz in Sicherheit zu bringen? Nur – warum hat er ihn dann, nachdem sich die Lage wieder beruhigt hat, nicht wieder ausgegraben? Verdankt die prähistorische Abteilung des vorarlberg museums eines seiner wertvollsten Exponate vielleicht einer menschlichen Tragödie? War die „Schatzkarte“ zu wenig detailreich oder ist sie gar verloren gegangen? Oder noch schlimmer, sind alle, die von diesem „Schatz“ gewusst haben, für immer vertrieben oder gar getötet worden? Gerhard Grabher

Anja Vang Kragh | *1971
Kleid der Carmen für die Bregenzer Festspiele, 2017
Duchesse, Tüll, Spitze, Pailletten, Perlen, Posamente, Strasssteine

Bregenzer Festspiele 2017. Schauplatz Seebühne: Expressiv singt Carmen, personalisiertes Klischee einer „Zigeunerin“, von unbändiger Freiheit und feuriger Liebe. Ihr blutrotes Kleid verleiht dem Auftritt verführerische Leidenschaft. Anna Vang Kragh, international tätige Kostümdesignerin aus Dänemark, entwarf für George Bizet’s Oper Carmen in der Inszenierung von Kaspar Holten die Kostüme aller Akteure. Fantasievolle Silhouetten, ausgeklügelte Schnitte, luxuriöse Materialien und opulente Farben feuern die Dramatik des Operngeschehens an. Bevor sich die Dänin höchst erfolgreich dem Kostümdesign widmete, arbeitete sie mit internationalen Größen der Modewelt wie John Galliano (Haus Dior) oder Stella McCartney zusammen. Im Setting der Seebühne treffen so zwei Frauen aus unterschiedlichen Zeiten, zwei komplett verschiedenen Leben aufeinander, doch die farbenprächtigen Kostüme haben das Potential, beide Welten miteinander zu verbinden und dabei die Klischees zu hinterfragen. Das vorarlberg museum bewahrt Carmens Todeskleid für die Zukunft auf. Theresia Anwander

Hanno Rhomberg | 1819 – 1869
Ein neuer Wurf, 1866
Öl auf Leinwand

Der neue Wurf kam 1991 aus den Vereinigten Staaten ins Vorarlberger Landesmuseum. Als Sohn des Malers Joseph Anton Rhomberg aus Dornbirn, lebte und arbeitete Hanno Rhomberg in München. Seine erste Ausbildung erhielt er bei seinem Vater, um anschließend an der Münchner Kunstakademie bei Julius Schnorr von Carolsfeld und Philipp Flotz, einem der talentiertesten Maler neben Kaulbach, zu studieren. Mit dem Ankauf des reisenden Schüler im Jahr 1853 für die neue Pinakothek in München verbuchte Hanno Rhomberg seinen ersten großen Erfolg. Über die Münchner Galerie Wimmer wurden in Folge viele Werke des Künstlers noch zu seinen Lebzeiten nach Amerika verkauft, wo seine Genremalerei vom einfachen, zufriedenen Glück sehr gefragt war. Dargestellt ist beim neuen Wurf eine mehrköpfige Familie aus bescheidenem bürgerlichen Milieu, die sich im Keller versammelt hat, um die wenige Tage alten Welpen zu bewundern. Die sentimentale Komposition kommt dem Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts entgegen, welche Idylle und feinen Humor besonders schätzte. Zahlreiche Lithografien nach seinen Werken steigerten Rhombergs Bekanntheitsgrad als Genremaler des 19. Jahrhunderts noch zusätzlich. Ute Pfanner

Alexandra Wacker | *1958
o.T., 1997
Öl auf Leinwand

Wenn Alexandra Wacker malt, dann möglichst großformatig und figurativ. Nicht was sie sieht, sondern was sie spürt, wird zum Bild. Nach ihrem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, unter anderem bei Josef Mikl, ließ sich die Künstlerin ebendort nieder. Die Sommermonate verbringt sie allerdings immer in ihrer Heimatstadt Bregenz, wo sie als Enkelin von Rudolf Wacker, einem der wichtigsten österreichischen Maler der Neuen Sachlichkeit, aufwuchs. Die klassische Malerei ist ihr Medium, um mit hohem maltechnischen Können das Verhältnis von Mensch und Natur in großen Gesten wiederzugeben. Wie ihr Großvater liegt ihr die handwerkliche Seite des Bildermachens, sie grundiert ihre Leinwände selbst, und arbeitet zwischen den Trocknungsphasen mit dem Auftragen der verschiedenen Farbschichten über Monate an ihren Bildern. Damit grenzt sie sich von der schnelllebigen Bilderflut heutiger Kunstproduktion ab. Als Vorlage für ihre Porträts und Landschaften dienen ihr private Fotos, Magazinfotos oder Bilder aus dem Netz, für die sie ein eigenes Archiv angelegt hat. Dieses bildfüllende, kontemplative Porträt einer unbekannten Person ist von einer ganz eigenen Ästhetik und Verletzlichkeit geprägt, fremd und doch gleichzeitig vertraut. Ute Pfanner

aus dem Palast Hohenems
Tapisserie mit Jagdszene, um 1620
Wolle, Leinen, gewebt

Der Bildteppich dürfte zu Lebzeiten des Grafen Kaspar von Hohenems (1573 – 1640) angekauft worden sein. Die einst zur Ausstattung des Hohenemser Palastes gehörende Tapisserie wurde in Flandern gefertigt und zierte ursprünglich wohl eine Wand der repräsentativen Räumlichkeiten. Als künstlerischer Wandschmuck waren Jagdtapisserien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ganz Europa in Mode, haben sich aber aufgrund ihrer Beschaffenheit nur in wenigen Fällen erhalten. Kathrin Dünser

Matta Wagnest | *1964
Wandteppich
Susret-Art Manufaktur, 2001
Schurwolle, Baumwolle

Istanbul Biennale 1992: Der Gobelin mit dem Titel "Human Rights“ der österreichische Künstlerin Matta (Martha) Wagnest wird als Ausstellungsstück abgelehnt, die politische Aussage ist für die damalige Jury zu provokant. Erst nachdem die Reihenfolge der Buchstaben verändert wird, kann das Kunstprojekt dann doch gezeigt werden. Den Originalentwurf schenkt Matta Wagnest dem vorarlbergischen Projekt Susret Art. Begegnung heißt „Susret“ auf Deutsch, das Kunst- und Sozialprojekt nimmt diese Bezeichnung ernst und etabliert sich zu einem Vorzeigeprojekt der Integration von schwer traumatisierten Flüchtlingen, die 1992 aus den jugoslawischen Kriegsgebieten auch nach Vorarlberg kommen. Über textile Techniken, die Konzentration und Fingerfertigkeit erforden, im Gegenzug Ablenkung und Erfolgserlebnis vermitteln, gelingt der erste Schritt zu einem neuen, sinnerfüllten Leben fern der Heimat. Flüchtlingsfrauen setzten an Webstühlen in einer ehemaligen Kaserne im Vorarlberger Oberland den Entwurf von Matta Wagnest kunstfertig um. Theresia Anwander

Herbert Reyl-Hanisch 1898 – 1937
Wolkenbruch. Blick gegen Mehrerau,
undatiert
Öl auf Leinwand

Seit 1934 war der in Wien als Sohn einer altösterreichischen Offiziersfamilie geborene Reyl-Hanisch in Bregenz ansässig, wo seine Schwester Mary wohnte. Insbesondere Porträtaufträge aus besseren Kreisen, die ihm in Vorarlberg sein Schwager Moritz von Matt vermittelte, sicherten ihm den finanziellen Erfolg. Zu seinen Auftraggebern zählen u. a. Angehörige der Familien Schindler, Schoeller, Pirquet, Waldburg-Zeil, Kuner und Rupp. Ein weiterer Schwerpunkt in Reyl-Hanischs Schaffen waren reale und fiktive Landschaften. Mit seinen Landschaftsbildern des Magischen Realismus verstand er es, Stimmungen bemerkenswert einzufangen, wie auch hier mit dem Wolkenbruch. Dargestellt ist eine bedrohlich dunkle Gewitterzelle über dem Bodensee mit Blick ins Appenzeller Land und auf die Mehrerau. Im Mittelgrund quert ein Dampfschiff den See. Rückseitig ist ein Zeitungsausschnitt vom 24. Juli aufgeklebt, in dem über ein viertelstündiges Hagelwetter berichtet wird, bei welchem Feld und Garten total vernichtet wurden. Der Bodensee galt über viele Jahrhunderte sowohl für bildende Künstler als auch für Literaten als magischer Anziehungspunkt. Auch für Reyl-Hanisch entsprach er einer Idylle gegen die aufkommende Bedrohung durch die unsicheren Zeiten. Ute Pfanner

Alfred Seiland | *1952
Driving Range und
Römisches Badehaus
(Golfclub Montfort)

Aus der Serie „ Imperium Romanum“, 2019
Farbfotografie /Alu-Dibond

Was ist vom einst mächtigen römischen Reich geblieben? Den Spuren der römischen Antike spürt Alfred Seiland seit 2006 in seinem Projekt Imperium Romanum nach und besucht dafür alle Länder des ehemaligen Herrschaftsbereichs rund um das Mittelmeer und darüber hinaus. Seilands Spannungsfeld liegt dabei immer an der Schnittstelle zwischen Antike und Gegenwart. Seine exakt komponierten Motive, die er bis heute analog fotografiert, zeigen die ganze Bandbreite zwischen musealer Pflege und touristischer (Ab-)Nutzung, zwischen Erhaltung und Zerstörung des antiken Erbes. Die Ansicht des Rankweiler Golfclubs mit römischem Badehaus ist als Auftragsarbeit im Rahmen der Ausstellung /Werkreihe Imperium Romanum zusammen mit fünf anderen Ansichten Vorarlbergs für die Sammlung des vorarlberg museums entstanden. Kathrin Dünser

Janine Bucher, Buchergrafik
Snowboard Susanne Moll, 2013
Foto mit Folie aufgetragen

Die 1987 in Andelsbuch geborene Susanne („Susi“) Moll begann mit neun Jahren mit dem Snowboardfahren. Mit 16 debütierte sie in Sölden im Weltcup, damals noch in der Disziplin des Parallel-Slaloms. Schon in der gleichen Saison erreichte sie als Dritte des Weltcups der Snowboardcrosserinnen im italienischen Bardonecchia ihr Karrierehighlight. Ein Jahr später erfolgte der Gewinn des Europacups. 2014 gehörte sie zur österreichischen Mannschaft beim erstmals bei Olympia ausgetragenen Snowboardcrossrennen. Dabei fuhr Susanne Moll dieses Modell eines Boards, das sie selbst in der Tracht der Bregenzerwälderinnen zeigt. Moll steht damit in der Tradition einer jungen selbstbewussten Generation, die ein modernes Leben mit konservativen Elementen verbindet. Andreas Rudigier

Giacomo Francesco Cipper | 1664 – 1736
Flirt in der Küche, um 1705
Öl auf Leinwand

International bedeutende Vertreter der bildenden Kunst mit Vorarlberger Wurzeln stellen in der Zeit vor 1800 eine ausgesprochene Rarität dar. Mit Stolz werden auf den aus Feldkirch stammenden Maler der „Donauschule“, Wolf Huber, oder auf die mit Bregenzerwälder Wurzeln ausgestatte Angelika Kauffmann hingewiesen. Dem Historiker Manfred Tschaikner verdanken wir genauere Kenntnisse über die Vorarlberger Herkunft des Mailänder Barockmalers Giacomo Francesco Cipper. Er wurde 1664 als Jakob Franz Zipper in Feldkirch geboren und wuchs später in Bludenz-Brunnenfeld auf. Über die Ausbildung Cippers ist nichts bekannt. 1696 wird die Hochzeit Cippers in Mailand aktenkundig und von da an wirkte er bis an sein Lebensende als Maler in der lombardischen Metropole. Rund 140 ihm zuschreibbare Gemälde sind in Sammlungen und Museen über ganz Europa verteilt. Seine Malerei ist stark von der holländischen und deutschen Genremalerei des 17. Jahrhunderts geprägt. Cipper bevorzugt Motive aus dem Leben und Alltag von Unterschichten und Randgruppen, zum Teil in grotesker Form rückt er die Figuren groß ins Bild. Andreas Rudigier

Emil Gehrer | 1913 – 1992
Otto Ender, 1958
Bronze, brüniert

Emil Gehrer war für seine Kunst berühmt, insbesondere für sein gewagtes Spiel mit der Abstraktion. Er lernte unter anderem an der Akademie der Bildenden Künste in München, musste aber 1939 in den Krieg ziehen. In Russland wurde er schwer verletzt. Gehrer wurde gleich nach dem Anschluss von der Gestapo verhaftet, weil er sich abfällig über die offizielle Kunstpolitik geäußert haben soll. Einen von ihm gestalteten Hitler-Kopf, der die wahnhaften Züge des Führers zeigen sollte, zerstörte Gehrer selbst 1944. Hat er sich aufgrund seiner eigenen Erfahrungen an einem internationalen Wettbewerb beteiligt, bei dem es um den unbekannten politischen Gefangenen ging? 1953 erhielt er vom Institute of Contemporary Arts in London dafür einen Anerkennungspreis. Das hier gezeigte Werk Gehrers zeigt die eingefrorene Verschmitztheit eines Mannes, der auch für ein paar Monate seines Lebens ein politischer Gefangener war. Unbekannt war er allerdings als ehemaliger Landeshauptmann, Bundeskanzler und Minister nicht. Inhaftiert war er von März bis September 1938 nicht wegen seiner Beteiligung am Staatsstreich von 1933/34, auch nicht wegen einer Steuerhinterziehung, die man ihm zu Unrecht vorwarf, sondern als Repräsentant des austrofaschistischen Regimes und als Nazigegner. Genau 30 Jahre später wurde er von Emil Gehrer modelliert und in Bronze gegossen. Peter Melichar

1. Hälfte 9. Jahrhundert
Karolingische Flechtwerkplatte einer Chorschranke (Fragment)
Fundort: Lauterach
Rorschacher Molassesandstein

1914 wurde in Lauterach das alte Pfarrhaus abgebrochen. In einer Kellermauer eingemauert fand sich dann die ausgesprochen gut erhaltene karolingische Flechtwerkplatte. Auch die erhaltene Größe ist bemerkenswert. Vornehmster Zweck solcher Platten war es „Priester und Laien voneinander zu scheiden, die Laien vom Eintritt in den Altarraum abzuhalten und es denselben zu verwehren, sich während der Feier des Gottesdiensts in diesem dem Klerus sich zuzugesellen“. Demzufolge darf wohl in allen frühmittelalterlichen Gotteshäusern das Vorhandensein solcher Chorschranken vorausgesetzt werden. Die Ausführung in einem edleren Material (hier Rorschacher Sandstein, andernorts Marmor) lässt aber eine repräsentativere Kirche etwa in einem Kloster oder einem Fürstensitz erwarten. Doch hier schweigen die archäologischen Quellen. Auch für das nahegelegene Bregenz. Seit Kolumban und Gallus scheint in der „vor Zeiten zerstörte[n] Stadt, welche Bricantia hieß“ nichts mehr gebaut worden zu sein. Eine 802 n. Chr. datierte Schenkungsurkunde, vollzogen in der öffentlichen, befestigten Anlage zu Bregenz („actum in Pregancia castro publicii“), das wesentlich kleinere Flechtwerkplattenfragment aus der Mehrerau und eben unser Exponat lassen uns aber die Hoffnung nicht aufgeben. Gerhard Grabher

Frank Osodi | *1964, Ituen Basi | o.D.
Lace Mode, Nigeria
Abend- und Cocktailkleider für das Ausstellungsprojekt „African Lace“, in Kooperation mit Stickern aus Lustenau, 2010 Baumwolle, Organza, Polyester, Seide, Tüll, Kunstperlen, Strasssteine 

Die textilen Handelsbeziehungen zwischen Nigeria und Vorarlberg spielen bis in die Sammlung des vorarlberg museums hinein. Seit den 1960 Jahren lebte ein Zweig der heimischen Stickereibranche vom Export hochpreisiger Stickereistoffe nach Afrika. Nigerianische Einkäuferinnen prägten das Bild in Lustenau, besonders als das Geschäft in den 1970er Jahren boomte. Bei Festen war es in Nigeria üblich, die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht über traditionelle Kleidung aus exklusiven Stickereistoffen zu zeigen. Die Ausstellung Lustenau Lagos African Lace, 2013 im vorarlberg museum zu sehen, erforschte diese schillernde Thematik, wies aber auch auf die Schattenseiten des Handels hin. Im Rahmen des Ausstellungsprojekts wurden afrikanisch Modedesigner*innen eingeladen, aus heimischen Stickereistoffen Abend- und Cocktailkleider zu kreieren. So kam das Museum zu einer bemerkenswerten Kollektion aktuellen afrikanischen Modedesigns. Theresia Anwander

Unbekannter Künstler
Vorarlberger Landesausstellung
1887 in Bregenz,

undatiert, Öl auf Leinwand

Was bedeutete für unsere Vorfahren die Industrialisierung? Das Entstehen der Fabriken und der Bau von Eisenbahnen veränderte die Welt binnen weniger Jahrzehnte wohl so stark wie sonst kaum etwas in der Geschichte. Das Gemälde von der Landesausstellung 1887 erinnert an die gewaltigen Umwälzungen, die zu jener Zeit im Gange waren. Denn um 1910 war Vorarlberg unter allen Ländern der Habsburgermonarchie jenes, das am stärksten industrialisiert war. Die Ausstellung gab vielen Unternehmen die Gelegenheit, sich zu präsentieren und wurde sehr gelobt. Man verkaufte über 56.000 Eintrittskarten. Die Schattenseiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems wurden nicht gezeigt: Die brutale Kinderarbeit, die langen Arbeitszeiten (damals galt der elfstündige Normalarbeitstag an sechs Tagen pro Woche), der weitgehende Mangel an Schutzvorrichtungen in den Fabrikhallen, das Fehlen jeder Krankenversicherung und Altersvorsorge. Gerade 1887 die war eine Arbeiterunfallversicherung eingeführt worden, zwei Jahre später folgte eine Krankenversicherung. Die Landesausstellungen (z. B. Steiermark, 1880; Kärnten, 1885; Böhmen 1891; Tirol, 1893) hatten eine wichtige Funktion: Sie waren vor allem für ein kleines Land wie Vorarlberg, das noch nicht einmal richtig selbstständig war, eine Art Identitätsverstärker. Peter Melichar

Alois Mennel | 1898 – 1948
Selbstbildnis gespiegelt, 1946
Öl auf Leinwand, auf Karton kaschiert

Nachdenklich betrachtet sich der 48-jährige Künstler, ein Jahr nach Kriegsende. Seine zwei Söhne waren 1942 und 1944 an der Front gefallen. Ist das Selbstbildnis ein Memento Mori seiner selbst? Die surreal anmutende Spiegelansicht – an René Magritte (1898 – 1967) erinnernd – irritiert durch eine rätselhafte Unstimmigkeit. Mennels Rückenansicht zeigt ihn mit Hut, sein Spiegelbild jedoch ohne. Seit 1932 unterrichtete der aus Böhmen stammende Mennel als Zeichen- und Mathematiklehrer an der Realschule Dornbirn, ab 1940 an der Klosterschule Marienberg und am Bundesgymnasium Bregenz. Zuvor hatte er an der Akademie der Bildenden Künste in Prag studiert und hielt sich anschließend mehrere Monate in Wien, Dresden und München auf, bevor er sich in Bregenz, wo sein Vater wohnte, als freischaffender Künstler endgültig niederließ. Mennel war unter anderem Mitglied der überregionalen Künstlervereinigung „Der Kreis“. Neben seinen Künstlerkollegen Rudolf Wacker und Oswald Baer zählt Alois Mennel zu einem der wenigen Maler der Neuen Sachlichkeit in Vorarlberg. Ute Pfanner

Mosaik mit Flechtbändern,
Pferd und Pferdehalter, römisch aus der „Villa eines Vornehmen“,
Stadtplan Nr. 14, Bregenz /Brigantium
Stein, Mörtel

In den Jahren 1870 und 1882/83 lässt Samuel Jenny auf dem Gut des Baron von Seyffertitz den Gebäudekomplex Nr. 14 („Villa eines Vornehmen“) freilegen. 1886 publiziert er den Grabungsbericht im Jahrbuch des Museumsvereins. Entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten gerät er regelrecht ins Schwärmen. Er schreibt, dass die Anlage „mit aller Rücksichtnahme auf Behaglichkeit“ angelegt sei, „bei dessen Studium man sogar den Eindruck von Luxus“ erhielte. Auch sei ihm „kein besser erhaltenes Hypokaust […] jemals begegnet, als das im […] Raume 7“. Dem im nächsten Raum entdeckten figürlichen Mosaikfragment widmet er sich ausführlich, beklagt den Verlust des Restlichen und bemerkt abschließend, dass „dieses Mosaik einen Cyclus lebensvoller Darstellungen circensischer Spiele vereinigt haben muß, […,] um den Herrn der Villa an die leidenschaftliche Schaulust zu gemahnen, der in Rom Hoch und Niedrig fröhnte. "Wir dürfen ergänzen: der Gebäudekomplex verbaute rund 1800m2 Grundfläche; er verfügte über mehrere Fußbodenheizungen; in seinem Westtrakt wurde eine vollständige Thermenanlage angelegt; er liegt in unmittelbarer Nähe zum Forum, dem städtischen Zentrum, und noch dazu direkt an der Hangkante des Ölrainplateaus. Ein wahrlich luxuriöser Ansitz. Gerhard Grabher

Viktorin Drassegg | 1782 – 1847
Gitarre, 1832
Decke: Fichte; Zargen und Boden: geflammte Birke

In der widersprüchlichen und lückenhaft erhaltenen Lebensgeschichte von Viktorin Drassegg spiegelt sich die Turbulenz eines durch die napoleonischen Kriege gebeutelten Europas wider. Der aus dem Norden der Habsburgermonarchie stammende Drassegg durchlebt ein typisches Soldatenschicksal mit langen Fußmärschen, Gefangenschaft, Flucht und Neubeginn. Ab 1819 strebt er die Einbürgerung in Bregenz an. Sie bleibt dem Soldaten, Tischler und Instrumentenbauer verwehrt. Krankheit, Existenznot und permanente Auseinandersetzung mit den heimischen Behörden prägen sein Leben. Trotz der widrigen Lebensumstände hinterlässt der talentierte Handwerker eine beachtliche Zahl an qualitativ hochstehenden Saiteninstrumenten. Diese sind heute in Museen weltweit eine besondere Rarität. Drasseggs Gitarre in der Sammlung des vorarlberg museum stammt aus dem Jahr 1832, wie eine handschriftliche Notiz des Instrumentenbauers belegt. Mit dem Ankauf des Instruments 2018 kehrt ein wichtiges Stück Instrumentengeschichte zurück an einen Lebensort des Künstlers und ist diesmal höchst willkommen. Theresia Anwander

Trachtenbilder-Serie /55tlg.
undatiert, vermutlich 17. /18. Jahrhundert
– dargestellte Kleidung aus dem 16. Jahrhundert
Öl auf Leinwand, ungerahmt

55 Leinwandbilder, bemalt mit allerlei kuriosen Trachtendarstellungen (Tracht im Sinne von historischer Kleidung), schlummerten jahrzehntelang im Museumsdepot, bis sie Gegenstand eines Forschungsprojektes wurden. Figurengruppen führen Kleidung des 16. Jahrhunderts aus verschiedenen Weltteilen vor, teilweise begleitet von Textzeilen. Solche Illustrationen fanden vermehrt Verbreitung in Papierform. Die Aufmachung auf Leinwand ist bisher einzigartig. Vermutlich handelte es sich um zusammenhängende Wandbilder. Drei Bilder geben einen Eindruck von der bunten Vielfalt: Tanzende Bauern präsentieren sich in angeblich Salzburger Trachten – jedoch diente eine Radierung des niederländischen Malers Jan Cornelisz Vermeyen als Vorlage. Modisch kurios mutet die Kleidung spanischer Damen an: zu hohen Chopinen (Stelzpantoffeln mit verziertem Korkplateau, bis zu 70 cm hoch) wird der Verdugado (Reifrock, außen sichtbare Gertenringe) getragen, auf dem Kopf die Cofia de Tranzado (Haube mit von Stoff umwundenem Zopf). „Indianer“ (Tupinambá, Brasilien) werden in bunte Federkostüm  gekleidet, Schmucksteine zieren ihre Gesichter. Hierbei wurden Reiseberichte und mitgebrachter Federschmuck missinterpretiert. Angelika Wöß

Albert Bechtold | 1885 – 1965
Trauernde, 1927
Bronze

Für ein Kriegerdenkmal in Lustenau entwarf Bechtold in kubistischer Formensprache die in sich versunkene Trauernde mit gesenktem Kopf. Den Verantwortlichen im Rathaus war die stelenartige, formal äußerst reduzierte und nonkonformistische Skulptur jedoch zu „modern“. Schlussendlich kam eine konventionellere, naturalistische Variante zur Ausführung. Als Vorlage für den Bronzeguss in der Sammlung des vorarlberg museums diente ein abstrahiertes Gipsmodell, das sich in Besitz der Akademie der Bildenden Künste in Wien befindet. Dort hatte Albert Bechtold 1934 Anton Hanaks Nachfolge als Professor für Bildhauerei angetreten. Allerdings setzte die Zwangspensionierung durch die Nationalsozialisten Bechtolds erfolgreichem Schaffen ein jähes Ende. Nach seiner Rückkehr nach Schwarzach im Jahr 1939 geriet sein Name fast völlig in Vergessenheit. Dennoch zählt Albert Bechtold mit seinen visionären Denkmalentwürfen und seinen wegbereitenden Plastiken zu den fortschrittlichsten österreichischen Bildhauern der Zwischenkriegszeit. Kaum ein anderer Künstler hat sich in ähnlich konsequenter Weise mit dem kubistisch-abstrahierten Stil hierzulande auseinandergesetzt. Ute Pfanner

Adelheid Gnaiger | 1916 – 1991
Paul Götsch | 1922 – 2010
Walter Griss | 1923 – 1994
Neubau Rathaus Lustenau
Architekturzeichnung, um 1955
Tusche auf Transparentpapier

Die stark wachsende Marktgemeinde Lustenau schrieb 1955 einen Architekturwettbewerb zum Neubau des Rathauses aus. Bei der Wahl des Siegerprojekts bewies die Gemeinde Mut, indem sie sich für einen modernen, in die Zukunft weisenden Entwurf entschied. Der Vorschlag der Architektengemeinschaft Adelheid Gnaiger/Paul Götsch/Walter Griss präsentiert einen klar strukturierten, leicht wirkenden Bau. Die reichhaltige Durchfensterung – auf der Längsseite in einem den Bau prägenden Gitterraster angeordnet, auf der Schmalseite blicken zwei große ‚Guckkastenfenster‘ ins Land – unterstreicht die Transparenz des Rathauses. Einen eigenen Baukörper bildet der im Süden anschließende Saalbau. Er ist durch einen verglasten Gang mit dem Rathaus verbunden und kann als Teil von diesem oder als eigenständiger Veranstaltungsort fungieren. Die Wertschätzung, die die Gemeinde Lustenau auch heute noch der Architektur ihres Rathauses entgegenbringt, hat zu deren Erhaltungszustand sicherlich beigetragen. Die Unterlagen dazu sind ein wichtiger Bestandteil des Nachlasses Adelheid Gnaiger, der ersten Architektin mit Ziviltechnikerprüfung Vorarlbergs, der sich in der Sammlung des vorarlberg museums befindet. te Denkenberger

Franz Michael Felder | 1839 – 1869
„Aus meinem Leben“
für die Ausstellung „Ich, Felder“ 
nacherzählt von Ariel Lang, Nina Hofer und Gerd Alfons 
Audioproduktion: Hannah Leonie Prinzler, Berlin, 2014

Der jung verstorbene Schriftsteller, Bauer und Sozialreformer Franz Michael Felder aus Schoppernau im Bregenzerwald kann durchaus zur Liste der legendären Vorarlberger gezählt werden. Sein kurzes, intensives Leben versprühte eine ungeheure Energie und war vom Willen nach Veränderungen in Gesellschaft, Literatur und Politik geprägt. So steht sein Name für Mut und Aufklärung, für Utopie und Widerstand, für Tradition und Erneuerung. Zu seinem 175. Geburtstag präsentierte eine Ausstellung im vorarlberg museum Franz Michael Felders persönliches Lebensschicksal und sein vielschichtiges Werk. Extra für die Schau konzipierten die Ausstellungskuratorin Annemarie Hürlimann und die Filmemacherin Hannah Leonie Prinzler ein mehrteiliges Videoprojekt, das auf individuelle und facettenreiche Weise die Hauptwerke Felders nacherzählt. Darunter die Autobiografie "Aus meinem Leben", die neben der eindrücklichen und emotionalen Lebensgeschichte auch einen authentisch präzisen Einblick in das Alltagsleben des konservativ-ländlichgeprägten Milieus im Bregenzerwald erlaubt. Theresia Anwander

Alois Elmereich | 1786 – 1831
Bregenz von der Klause aus, 1822
Öl auf Eisenblech

Besonders auffällig war die Karriere von Alois Elmereich als Soldat nicht. Auch als Maler War er wohl nicht erfolgreich, denn es sind kaum Gemälde von ihm bekannt. Mit seinem Bild von der Klause bei Bregenz hat er jedoch einen der wichtigsten Erinnerungsorte Vorarlbergs dargestellt. Denn die Klause musste passieren, wer von Norden her nach Bregenz wollte. Sowohl in den Schweden- als auch in den Franzosenkriegen und sogar noch am Ende des Zweiten Weltkriegs spielte der Engpass zwischen Bregenz und Lochau eine wichtige Rolle. Mehrere Legenden ranken sich um die Klause und darum, wie man sie sperren oder überwinden konnte. Auf Elmereichs Bild ist ein kleiner Pavillon gut zu erkennen, der zu Ehren von Karl Ernst von Gravenreuth (1771 – 1826) errichtet worden war. Als Generalkommissar für Schwaben war er während der bayerischen Herrschaft auch für Vorarlberg zuständig und musste gegen widerspenstige Frauenpersonen vorgehen, die nicht akzeptieren wollten, dass ihre Liebsten zum Militärdienst eingezogen wurden. „Ob ein paar Weiber exekutiert werden“, soll er nach dem sogenannten Weiberaufstand von Krumbach gesagt haben, „daran ist dem Staatsinteresse wenig gelegen.“ Er begnadigte die Damen. Peter Melichar

Richard Bösch | *1942
Opferlandschaft, 1988
Öl auf Spanplatte

Wie kaum ein anderer Künstler steht Richard Bösch – ein Maler im wahrsten Sinne des Wortes – für die reine Malerei. Der „Meister der dunklen Töne“ hält nichts von rein dekorativer Kunst. Großformatig und überreich im Farbauftrag drückt die Opferlandschaft Böschs Suche nach der „Metaphysik der Oberfläche“ und den archaischen Strukturen des Daseins aus. Als „Wachsamer in der Provinz“, wie er sich selbst bezeichnete, war er immer misstrauisch gegenüber Menschen, die es sich im Leben allzu gemütlich eingerichtet haben. Mit Recht, denn Bösch ist als Mensch und Künstler in seinem Denken radikal. Er blieb sich darin über die Jahre treu, auch als es längst nicht mehr angesagt war, radikal zu sein. Seine Werke weisen dem Betrachter den Weg zu inneren Orten, die menschliche Intuition und Erfahrungen zum Vorschein bringen. Seelenlandschaften im wahrsten Sinne des Wortes! Ute Pfanner

auf der Fundstelle Borscht, 1948
Adolf Hild, Benedikt Frei und Elmar Vonbank 
Fotografie, Reproduktion

So ein Foto hat Seltenheitswert. Es wurde 1948 auf der höchsten Kuppe des Eschnerberges, der Fundstelle Borscht, aufgenommen. Der Fotograf wird wohl der Leiter der ur- und frühgeschichtlichen Ausgrabungen des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein und spätere Gründungsdirektor des Liechtensteinischen Landesmuseums David Beck gewesen sein. Die drei Herren sind (von links nach rechts): Elmar Vonbank: gerade promoviert und in die Dienste des Vorarlberger Landesmuseums eingetreten. Er wird dieses von 1954 bis 1986 leiten und die Archäologie Vorarlbergs nachhaltig prägen. Benedikt Frei: 1938 vom Amt für Ur- und Frühgeschichte zum Betreuer des Rheintals und des Sarganserlandes ernannt, wird 1966 zum Kantonsarchäologen St. Gallen aufsteigen. Und Adolf Hild: Die graue Eminenz der Archäologie (und der Museumslandschaft) des Alpenrheintals. 1907 als „Hilfskraft“ im gerade neu erbauten Vorarlberger Landesmuseum angestellt, wurde er zum „wichtigsten“ Mitarbeiter des Hauses. Bis zu seiner Pensionierung 1948 war er Registrar, Landesarchäologe, Konservator des Bundesdenkmalamtes – und Direktor. 1936 wurde er zudem mit den Ausgrabungen der Fundstelle Borscht beauftragt. Wenn man so will: ein Who‘s who der Archäologie. Gerhard Grabher

ca. 7500 v. Chr.
Fragment eines Halswirbels 
von einem etwa 6 Jahre alten Kind
Fundort: Rheinbalme bei Koblach
Knochen

In den Jahren 2004 bis 2006 wurden die im vorarlberg museum befindlichen steinzeitlichen Funde aus drei Halbhöhlen (Rhein-, Krinnen- und Glitzbalme) des Kummenberges bzw. des Neuburghorstes von der Innsbrucker Studentin Sonja Laus im Rahmen ihrer Diplomarbeit bearbeitet. Besondere Aufmerksamkeit erregten die menschlichen Überreste. Insgesamt konnten 34 Fragmente identifiziert und mindestens 6 bis maximal 13 Individuen zugeordnet werden. Zur Unterstützung der Bearbeiterin, aber auch als kleines Dankeschön, übernahm das vorarlberg museum die Kosten für fünf C-14-Untersuchungen am Institut für Isotopenforschung und Kernphysik der Universität Wien. Während die ersten vier Proben in etwa das erwartete Ergebnis lieferten und rund 7000 (zwei Proben), 5300 und 4600 Jahre alt sind, fiel ein kleines Halswirbelfragment eines Kindes komplett aus dem Rahmen. Es ist 9425 +/- 125 Jahre alt. Von heute auf morgen befand sich der Fundort des bislang ältesten Skelettes der Mittelsteinzeit Österreichs in Vorarlberg. So war es wenig verwunderlich, dass die Vorarlberger Nachrichten entsprechend berichteten. Bis heute ist dem Fachmann allerdings der damals in demselben Medium geprägte Kosename „Götzi“ ein Rätsel. Gerhard Grabher

Wilhelm Holzbauer | 1930 – 2019
Guntram Mätzler | 1930 – 2013
Manfred Rapf | *1939
Norbert Schweitzer | *1938
Neues Landhaus
Architekturmodell, um 1980
Balsaholz

1973 wird österreichweit der Neubau eines Amtsgebäudes für den Vorarlberger Landtag und die Vorarlberger Landesregierung ausgeschrieben. Nachdem keiner der eingereichten Entwürfe trotz einer nachträglichen Überarbeitung den Vorstellungen des Auslobers entsprach, regte dieser die drei erstplatzierten Architekturbüros zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft an. 1975 wird der Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Wilhelm Holzbauer, Manfred Rapf, Guntram Mätzler und Norbert Schweitzer der Öffentlichkeit vorgestellt und zur Ausführung beauftragt. Der durch die Landesregierung genutzte Raum verläuft parallel zur südlich gelegenen Wolfeggstraße. Der Bauteil des Landtags sowie der in flachen Stufen aufsteigende Vorplatz orientieren sich an der nördlich gelegenen Römerstraße. Das Gebäude erhält so im Bereich des Haupteingangs einen leichten Knick, wodurch der Bau an Dynamik gewinnt und der Platz als solcher betont wird. Das Bauvolumen ist entsprechend der Hanglage gestaffelt, wirkt somit weniger massiv und fügt sich besser in die kleinstädtische Umgebung ein. Bei der Wahl der Materialien stand deren Beständigkeit und ein ‚Altern in Würde‘ im Vordergrund. Ute Denkenberger

Chris Saupper | *1972
71, 2016
Video, Dauer: 2 Min 45 Sek
Polaroid-Fotografie

Chris Sauppers Kurzfilm 71 spielt auf eine Tragödie im Jahr 2015 an, bei der ebenso viele Flüchtlinge auf dem Weg in eine bessere Zukunft in einem Kühllaster auf einer österreichischen Autobahn qualvoll erstickten. Für das entwürdigende Sterben dieser Unschuldigen findet Saupper eindringliche Bilder, indem er entindividualisierte Körper als Gliederhaufen in unheimliche Bewegungen versetzt. Das Unbeschreibliche wird in die Form eines sprachlosen Todeskampfs übersetzt und in einem Raster aus unterschiedlichen Bildkacheln reflektiert. Kathrin Dünser

Grete Gulbransson-Jehly | 1882 – 1934
Tagebücher
222 Bände

Grete Gulbransson-Jehly wurde in Bludenz geboren und war die Tochter der Wanda Douglass (geb. Poellnitz und Witwe nach John Sholto Douglass) sowie des Malers Jakob Jehly. Die Schriftstellerin (Geliebte Schatten) ging nach dem frühen Tod ihrer Eltern nach München. Dort heiratete sie bald den Maler und Zeichner Olaf Gulbransson, einen der bekanntesten Vertreter der Satirezeitschrift Simplicissimus. Ihre Wohnung beim Englischen Garten wurde über viele Jahre zum Treffpunkt der kulturellen Szene der bayerischen Metropole. Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Alfred Kubin, Else Lasker-Schüler, Max Liebermann, Thomas Mann, Edvard Munch, Rainer Maria Rilke und Stefan Zweig standen etwa mit ihnen in Kontakt. Seit ihrem achten Lebensjahr bis an ihr Lebensende führte Gulbransson-Jehly ein Tagebuch, das am Ende 222 Bände mit rund 90.000 Seiten umfassen sollte. Ulrike Lang hat diese Tagbücher bearbeitet und in kommentierter Form herausgebracht. Der Inhalt ist ein ausführlicher Beleg für das kulturelle Geschehen im gesamteuropäischen Raum. Gleichzeitig werden die Tagebücher zu einem berührenden Lebensdokument einer psychisch sehr unausgeglichenen Person im zermürbenden Kampf um Anerkennung und Bestätigung. Andreas Rudigier

WolfGeorg (d.i. Georg Fitz) | *1987
Australian Cattle Dog, 2019
Holz, Acryl, Leder

WolfGeorg wurde 1987 in Feldkirch als Georg Fitz geboren. Zum Wolf spürt er eine tiefe Verbindung und ist überzeugt, dass er eigentlich von ihm abstammt. Von diesem tiefen Glauben zeugt auch sein Künstlername. WolfGeorg gestaltet Serien von Hunden und Wölfen seit seiner Internatszeit. Diesem Sujet ist er mehr als ein Jahrzehnt treu geblieben. Er malt und schnitzt für sich selbst und zu seinem eigenen Schutz. Deshalb wurden die Tiere immer gefährlicher. Indem er diese zähnefletschenden Bestien aushält, beweist uns der Künstler gleichzeitig, wie mutig er ist. Kathrin Dünser

Sepp Dreissinger | *1946
V 60 – 60 Porträts zur Vorarlberger Kultur, 1996 – 1997
s/w-Fotografie

1: Tone Fink, 2: Louise & Alois Schwärzler, 3: Gottfried Bechtold,
4: Richard Bösch, 5: Armin Pramstaller, 6: Karl-Heinz Ströhle,
7: Walter Khüny, 8: Ingo Springenschmid, 9: Arnold Luger,
10: Eugen Jussel, 11: Marbod Fritsch, 12: Ruth&Gert Gschwendtner,
13: Eberle/Baumschlager, 14: Georg Nußbaumer,
15: Peter Wolf, 16: Gerold Amann, 17: Fidel und Wolfram Schurig,
18: Petra Nachbaur, 19: Kurt Sternik, 20: Hubert Dragaschnig,
21: Monika Helfer/Michael Köhlmeier, 22: Arno Geiger,
23: Robert Schneider, 24: Ulrike Längle, 25: Kundeyt Surdum,
26: Hubert Matt, 27: Max Riccabona, 28: Klara Schwendinger,
29: Martin Gruber, 30: Klaus Schöch, 31: Alfred Graf,
32: Walter Salzmann, 33: Herbert Albrecht, 34: Christoph Lissy,
35: Franz Huemer, 36: Herbert Meuburger, 37: Flatz,
38: Jürgen Benvenuti, 39: Edwin Lipburger, 40: Hannes Ludescher,
41: Leopold Fetz, 42: John Gillard, 43: Ilga Weishäupl,
44: Ruth Schnell, 45: Signe Gehrmann, 46: Ulrich Gabriel,
47: Peter Herbert, 48: Erich Steinmayr,
49: Siegrun Appelt &Gerold Tagwerker, 50: Günther Sohm,
51: Dieter Profeld, 52: Zita Strobl, 53: Sabine Luger, 54: Christian Mähr,
55: Pater Nathanael, 56: Claudius Baumann, 57: Uta Belina Waeger,
58: Pepi Gamper, 59: Alexandra Berlinger, 60: Ina Wolf.
Kathrin Dünser

Walter Khüny | 1926 – 1997
Puppe mit Lilie, 1956
Öl auf Sperrholzplatte

Walter Khüny, der an der Kunstgewerbeschule in Innsbruck bei Toni Kirchmayr ausgebildet wurde, arbeitete in Zyklen: Puppen (1954 – 1958), Bäume (1957 – 1959), Häuser (1958 – 1963), Ateliers (1967 – 1972) und zeitlebens Landschaften. Nach seiner Rückkehr nach Vorarlberg im Jahr 1950 war er zunächst als Gebrauchsgrafiker tätig. Ab 1974 bis zu seinem Tod lebte und arbeitete er in Koblach. Seine Puppenbilder waren das Markenzeichen seiner frühen Malerei, als Metapher für den Menschen als Marionette. In den geradezu monströs modellierten Puppen nahm der Künstler unmittelbar Bezug auf die metaphysische Malerei der 1920er Jahre. Die pausbäckige Puppe mit Lilie sitzt mit gespreizten Beinen da und schaut den Betrachter misstrauisch, beinahe bedrohlich an. Durch die ausdrückliche Betonung des Plastischen und die dunkle Farbgebung wird die Magie des Gegenstandes eindrücklich verstärkt. Ute Pfanner

Roland Gnaiger | *1951
bauKasten color 
(aus der Ausstellung „möbel für alle“,
Designinitiative Bregenzerwald), 2002
Holz, gewachst, farbig gebeizt oder lackiert

Man nehme einfache Kisten aus dem heimischen Rohstoff Weißtanne, versehe sie mit ein paar Bohrungen und schon ist ein genial simples, flexibel nutzbares und mobiles Möbelstück entstanden, das höchsten Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Design entspricht. Zeitgemäßes Möbeldesign muss mit den Benutzern interagieren und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der modernen Lebensgewohnheiten reagieren können. Wandelbarkeit ist dabei ein Postulat. So ist der bauKasten konventionell entlang einer Wand genauso aufstellbar, wie als schlangenförmiger Paravent oder als freistehender Turm, dem jeweiligen Platzbedürfnis entsprechend. möbel für alle lautete demnach auch der Titel einer international präsentierten Ausstellung der Designinitiative Bregenzerwald 2002. Kurator war Roland Gnaiger, selbst Architekt und Gestalter, dessen bauKasten color genauso Teil der Schau war wie 38 weitere alltagstaugliche Objekte. Das Land Vorarlberg kaufte die Designobjekte an, seither beherbergt das vorarlberg museum die Sammlung. Theresia Anwander

5. Jahrhundert v.Chr.
Weibliche und männliche Votivfigur
Fundort weibliche Figur: angeblich Übersaxen; Fundort männliche Figur: Bludenz, nahe der Kirche St.Peter
Bronze

Im Ausstellungskatalog Kult der Vorzeit in den Alpen, Innsbruck 1997 schreibt Georg Kossack: „[…] aber bald veränderte sich das Verhältnis zwischen dem einzelnen und der Gottheit, deren Namen man auch in Weihetexten nannte, so wie man sich auch selbst namentlich zu erkennen gab und allerlei persönlichen Besitz, ja auch anthropomorphe, nach Geschlecht und Status differenzierte Statuetten als Votivgaben stiftete.“ Liselotte Zemmer-Plank ergänzt an derselben Stelle: „Parallel dazu beginnt jedoch der Gläubige sich auch als Einzelwesen zu verstehen und er versucht, sich der Gottheit als Individuum zu zeigen, er stellt sich als Betender dar, als Krieger, als einzelner Wettkämpfer […] und widmet den überirdischen Mächten symbolhaft waffentragende Männer, Figürchen von Boxern und Oranten.“ Mit der Bronzestatuette eines männlichen Adoranten aus der Umgebung von Bludenz mit überproportional groß dargestelltem primären Geschlechtsmerkmal und der weiblichen Gewandfigur aus Übersaxen besitzt das vorarlberg museum nun gleich zwei Figuren aus diesem Themenkreis. Bedauerlich, dass eine dritte, ein Krieger, gefunden in den 80er Jahren des 19. Jh. anlässlich der Rheinregulierung, und von Norman Douglas aufgekauft, heute verschollen ist. Gerhard Grabher

3. Jahrtausend v. Chr.
Harpunen
Fundort: Rheinbalme bei Koblach
Knochen, Rothirschgeweih

Die beiden Stabharpunenspitzen aus einer Halbhöhle („Rheinbalme“) bei Koblach dürfen mit Recht zu den Top 100 des vorarlberg museums gerechnet werden. Einerseits belegt ihre ganz spezielle Ausformung mit zwei Reihen alternierender Widerhaken sowie die abgesetzte zungenförmige Basis zur Befestigung einer Leine das Bestreben des mittelsteinzeitlichen Menschen, seine Geräte zu optimieren. Andererseits wurden die nächsten Verwandten der Harpunenspitzen in Fundstellen an der oberen Donau, in den Kantonen Bern und Basel und – überraschend – in der Nähe von Trient bzw. südlich von Cortina d’Ampezzo gefunden. Handelt es sich vielleicht nur um eine zufällige Übereinstimmung? Oder ist es nicht vielmehr ein Hinweis auf die Mobilität der damaligen Menschen? Ein Indiz dafür, dass die Alpen schon lange vor dem kupferzeitlichen Similaun-Mann nicht das unbekannte Ende der Welt darstellten und nicht unüberwindbar waren. Gerhard Grabher

Flora Bilgeri | 1900 – 1985
Selbstbildnis, 1930
Tempera auf Karton

Das Selbstbildnis zeigt Flora Bilgeri als Dreißigjährige in strenger Frontalansicht, reduziert auf das Wesentliche. Als Autodidaktin schuf sie ein einzigartiges Werk, das ca. 400 Gemälde, 150 Zeichnungen, 15 Tagebücher und Tonbandaufnahmen umfasst. Insidern ist ihr Haus in Hard am Bodensee bekannt, das sie von innen bis hinaus in den Garten mit eigenen Werken ausstattete. Geboren im Jahr 1900 in Hard am Bodensee, musste sie als junge Frau in der elterlichen Landwirtschaft und Schnapsbrennerei mithelfen. Eigentlich wollte sie Musterzeichnerin werden, die Textilwerke stellten damals aber nur Männer ein. Ab etwa 1923 begann sie zu malen, zunächst noch zaghaft und im Verborgenen. Nach dem Tod der Eltern führte sie die Landwirtschaft und Brennerei alleine weiter, während ihr Bruder Benedikt Bilgeri als Mittelschullehrer und Historiker arbeitete. Erst mit 60 Jahren konnte sie sich voll und ganz ihrer Kunst widmen. Über ihr Leben notierte sie: „Mit 15 stürzte ich mich aufs Erkennen. Mit 30 stand ich fest. Mit 40 zweifelte ich nicht mehr. Mit 50 kannte ich das Himmelsgesetz. Mit 60 war mein Ohr aufgetan. Mit 70 konnte ich tun, was mein Herz wünschte, ohne das Maß zu übertreten.“ Ute Pfanner

Oswald Baer | 1906 – 1941
Selbstbildnis mit Spiegelbild, 1932
Öl auf Leinwand

Skeptisch und doch selbstbewusst, gekleidet in dunklem Anzug und Krawatte, betrachtet uns der jung verstorbene Künstler in seinem Spiegelbild. Sein verschattetes Spiegel-Ich blickt düster nach rechts, das allzu kurze Leben möglicherweise vorausahnend. Seit Kindheitstagen kämpfte Baer mit gesundheitlichen Problemen, wofür er seinen Vater Hans, einen lebensreformerischen Gesundheitsfanatiker, verantwortlich machte. Er scheute sich deshalb nicht, lebenslang finanzielle Forderungen an seinen Vater zu stellen, der Mittelschullehrer und später Direktor in Dornbirn war. Nur ein Jahr, nachdem das Selbstbildnis entstand, trat Baer der nsdap bei, nicht ohne vorher das Für und Wider mit seinem Freund und Förderer Werner Meinhof besprochen zu haben. Trotzdem konnte Meinhof als einflussreicher Museumsdirektor und Kunsthistoriker nicht verhindern, dass Baers Selbstbildnis mit Krankenschwester 1937 im Kunstsaal Weimar als vermeintlich entartetes Kunstwerk beschlagnahmt und 1939 in Berlin verbrannt wurde. Während dieser Zeit porträtierte Baer übrigens Meinhofs Tochter Ulrike (1934 – 1976), die später als Mitbegründerin der terroristischen Roten Armee Fraktion bekannt wurde. Ute Pfanner

Verschiedene Werkstätten
Kristberger Flügelaltar, 1478
Holz, gefasst

Die Rückseiten der Altarflügel zeigen den Bergbaupatron Daniel bei der Arbeit mit dem Erz. Auf der Schreinrückseite ist in Rötelschrift „Silberberg“ geschrieben, ein Hinweis der Werkstätte, wohin der Altar zu liefern ist. Deutlicher könnten die Hinweise nicht sein: Der Altar wurde einst für eine Bergbauregion geschaffen. Das spätmittelalterliche Werk entstand in süddeutschen Werkstätten und kam 1478 in die Pfarrkirche von Silbertal im Montafon, dass damals noch St.Nikolaus im Silberberg hieß. Vermutlich in barocker Zeit wurde der Altar nicht mehr gebraucht und in der Kirche St. Agatha auf dem Kristberg abgestellt. Als Ende des 19. Jahrhunderts die große neugotische Kirche in Silbertal errichtet wurde, häuften sich so große Schulden an, dass der Pfarrer der Gemeinde sein Heil u.a. im Verkauf des Altares suchte. 1911 verließ der Altar das Land und verblieb bis 2015 in meist unbekanntem Privatbesitz. Mehrfach tauchte er auf Auktionen auf, ein Rückkauf gelang aber nicht, bis 2015 das Glück auf der Seite des Landesmuseums war. Und die irgendwann verloren gegangene Mittelschreinfigur, ein hl. Georg, konnte nun auch 2019 zurückgesteigert werden, womit der Altar erstmals wieder vollständig gezeigt werden kann. Andreas Rudigier

Johann Conrad Dorner | 1809 – 1866
Der Spieler, 1834
Öl auf Leinwand

Das Gemälde verrät auf den ersten Blick Verzweiflung, und auf den zweiten Blick lassen sich auch die Ursache und der Hintergrund dafür ausmachen. Die Szenerie ist in ein biedermeierliches Ambiente eingebettet. Im beleuchteten Mittelpunkt ist eine junge Frau zu sehen, die ihr Kind eng an ihren Körper hält. Von ihnen abgewandt und die Konturen des Körpers nicht mehr deutlich von der ihn umgebenden Dunkelheit absetzend, sitzt ein Mann, ihr Mann und Vater des Kindes, mit dem Ausdruck des Schreckens in seiner Mimik und Gestik. Lose herumliegende Spielkarten am Boden verweisen dezent auf das geschehene Unglück: Der Mann hat alles verspielt. Conrad Dorner ist der Schöpfer dieses Bildes, das in der Tradition sozialkritischer Motive des 19. Jahrhunderts steht. Der talentierte Bregenzerwälder Maler hatte im frühen 19. Jahrhundert die Akademie in München aufgesucht. Sie bot ihm eine perfekte Ausbildung, die ihm auf seinem weiteren Weg, der ihn ins Baltikum, nach Russland und nach Rom führte, gute Dienste erweisen sollte. Andreas Rudigier

Ende 6. bis Mitte 7. Jahrhundert
Ohrring
Fundort: Pfarrkirche Hl. Mauritius, Nenzing
Gold, Leihgabe der Pfarre Hl. Mauritius

Der goldene Ohrring aus der sogenannten Gruft von St. Mauritius, der Pfarrkirche von Nenzing, ist – trotz seiner Kleinheit – ein „ganz großer“ archäologischer Fund. Nicht nur, weil goldene Objekte in Vorarlberg ganz selten ausgegraben werden. Nicht nur, weil in Vorarlberg in den letzten 150 Jahren nur eine Handvoll frühmittelalterlicher Objekte gefunden worden ist. Nicht nur, weil er ein herausragendes Exemplar frühmittelalterlicher Goldschmiedekunst ist, sondern wohl auch deshalb, weil die wenigsten in Vorarlberg überhaupt wissen, dass er existiert. Der Körbchenohring selbst, dessen Mittelstück mit granulierten Kügelchen verziert ist (drei nahezu identische Exemplare befinden sich im Louvre, Paris), wurde höchstwahrscheinlich zwischen Ende des 6. und Mitte des 7. Jahrhunderts entweder in Italien oder im byzantinischen Raum hergestellt. Nach Churrätien importiert, gelangte er dann, vielleicht als Bestandteil der Ausstattung einer Verstorbenen, in besagte Gruft in Nenzing. Bedauerlicherweise wurde diese aber im Mittelalter für drei weitere Bestattungen geöffnet und der Inhalt vermutlich entnommen. Nur das kleine Schmuckstück wurde übersehen. Gerhard Grabher

Ingmar Alge | *1971
o.T. (Leiter), 2009
Öl auf Leinwand

Das Thema der Verlorenheit, Einsamkeit und Melancholie zieht sich durch Ingmar Alges Werk. Mit feinem Gespür lotet er als sozialkritischer Beobachter die gesellschaftlichen Verwerfungen und inneren Leerläufe der modernen Gesellschaft aus und bezieht seine nach Fotovorlagen gemalten Bilder auf Texte des Publizisten Roger Willemsen (1955 – 2016), der meinte: „Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.“ In seinen großformatigen, maltechnisch faszinierend umgesetzten Gemälden, die an Edward Hopper erinnern, analysiert Alge die soziale Lebenswirklichkeit und ihre Widersprüche. Sie alle erzählen Geschichten und vermitteln Gefühle, die für den jeweiligen Betrachter unterschiedlich ausfallen können. Das gegenständliche Bild zeigt einen nach unten blickenden Mann in Rückenansicht am Beckenrand eines Pools stehend, die Hände auf die Poolleiter-Holme aufgestützt, vor einem unendlichen Horizont, der mit dem Himmel verschmilzt. Losgelöst von seiner Umgebung scheint er sich im existenziellen Nichts aufzulösen. Ute Pfanner

Ludwig Schnorr von Carolsfeld 
1824 – 1905
Bildnis des Dr. Josef Ritter 
von Bergmann, undatiert

Öl auf Leinwand

Josef Ritter von Bergmanns Leben verlief für damalige Vorarlberger Verhältnisse recht außergewöhnlich: 1796 in Hittisau geboren, 1808 bis 1815 Gymnasium in Feldkirch und Kempten, 1815 bis 1822 Studium in Wien, 1826 Gymnasialprofessor in Cilli, erst Dritter (1828) dann Zweiter (1834) dann Erster (1840) Custos und letztendlich Direktor (1863) des k. k. Münz- und Antikenkabinetts in Wien. Ein beeindruckender wissenschaftlicher Werdegang, mit dem auch ein bemerkenswerter gesellschaftlicher Aufstieg verbunden ist. 1866 wird er gar in den erblichen Ritterstand erhoben. Vorarlberg ist ihm aber immer ein Anliegen, ist ihm wichtig. Auch wissenschaftlich. Von über 237 veröffentlichten Arbeiten handeln 87 von oder über seine Heimat. So auch ein 1852 erscheinender Aufsatz über den Appenzellerkrieg von 1408. Erstmalig benennt er das über dem Stadttor eingemauerte Sandsteinrelief als römerzeitliche Weihung an die Pferdegöttin Epona. Gleichzeitig hinterfragt er kritisch die an diese Darstellung geknüpften diversen Versionen der kursierenden Ehregutasage sowie städtisches Brauchtum und wünscht sich – in einer Anmerkung – ein Museum für die römischen Antiquitäten. Mehr als 50 Jahre später wird dieses Relief ein Prunkstück des neu erbauten Landesmuseums. Gerhard Grabher

Georg Feurstein | 1840 – 1904
Kaiserlicher Rat Dr. Samuel Jenny, 1902
Marmor

1825 kauft Melchior Jenny zusammen mit seinen Schwägern Friedrich und Dietrich Schindler zwei Textilfabriken in Hard (Mittelweiherburg). Schon kurze Zeit später werden auch in
Kennelbach und Lauterach Betriebe gegründet. Die aus Ennenda im Kanton Glarus stammenden Unternehmer produzieren mit Türkischrot bedruckte Baumwollstoffe, echtroten Kattun, türkischrote Kammertücher, Reservagedrucke und Tapeten. Ausgesprochen erfolgreich, ausgesprochen gewinnbringend, aber nicht unbedingt besonders umweltschonend, wie Ausgrabungen des Fabrikgeländes über 150 Jahre später belegen. Der 1837 geborene Samuel studiert Chemie in Wien und Jena und übernimmt 1867 die väterliche Firma. Er modernisiert und expandiert. Und er bringt seine Person intensiv in öffentliche Aufgaben ein. Für den Landesmuseumsverein und das römische Brigantium ist er ein absoluter Glücksfall. Er ist die treibende Kraft (und wohl auch eine der größeren Geldquellen) hinter dem 1905, vier Jahre nach seinem Tod, eröffneten neuen Museum am Kornmarktplatz. Er lässt, größtenteils auf eigene Kosten, die noch bescheidene Bautätigkeit auf dem Ölrainplateau nutzend, weite Teile der Stadt freilegen und publiziert die Ergebnisse zeitnah in den Museumsvereinsberichten. Gerhard Grabher

18./19. Jahrhundert
Rennschlitten
Holz, Eisen, Leder, Rosshaar, Samt

Das ist ein echter „Luxusschlitten“! Der prunkvolle Schlitten mit kunstvoll geschnitzten und gefassten Tiermotiven und weiterer Ornamentik stammt aus Dornbirn. Laut Inventarbuch aus dem Besitz der wohlhabenden Industriellenfamilie Ulmer stammend und am Halsband des hölzernen Hundes mit 1859 datiert, gehört das elegante Transportmittel der Form nach zur Gattung der sogenannten Rennschlitten. Der Kutscher saß am rückwärtigen Sitz und lenkte das vorgespannte Pferd von dort, der Fahrgast nahm am vorderen, komfortabler ausgestatteten Ledersitz Platz, eine Dame wahrscheinlich im damals üblichen Schrägsitz. Bereits während der Barockzeit waren Fahrten mit Prunkschlitten sehr beliebt, aber einer elitären Gesellschaftsschicht vorbehalten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde „die Schlittenpartie“ als winterliche Freizeitbeschäftigung auch für die breitere Masse schick und populär, organisierte Abfahrten und Wettrennen mit Hörnerschlitten, Bob und Rodel steigerten so dann auch die Attraktivität von Wintersportorten. Theresia Anwander

Schirm, um 1890
Türkischrotes Muster
auf Baumwolle gedruckt,
Holz, Metall

Im frühen 19. Jahrhundert etablierte sich in Hard am Bodensee der Stammsitz des Textilunternehmens Jenny&Schindler. Der Betrieb setzte auf die Technik der „Türkischrotfärberei“und war im gesamten Gebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie mit bunt gefärbten und gemusterten Tüchern und Stoffen erfolgreich. Die türkischroten Tüchlein mit ornamentalen und floralen Musterungen in Gelb, Blau, Grün, Schwarz und Weiß waren als Kopf- und Schultertücher für Trachten vor allem im östlichen Teil der Monarchie sehr begehrt. Seidentücher mit opulenten Rosenmotiven oder Stoffe mit floralen Rankmustern als Bezugsstoff für Regenschirme fanden in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie und darüber hinaus begeisterten Absatz. Gleichzeitig entwickelte sich Hard zu einem wichtigen Zentrum der Formenstecherei. Mit den Stoffdruckmodeln, die die Formenstecher individuell für das jeweilige Stoffmuster anfertigten, wurden die Baumwollstoffe oder Seidenstoffe manuell unter beachtlichem Zeitaufwand bedruckt. Theresia Anwander

Angelika Kauffmann 1741 – 1807
Amor und Psyche, 1792
Öl auf Leinwand

Die Künstlerin mit Wurzeln im Bregenzerwald zählt zu den bedeutendsten Malerinnen des 18. Jahrhunderts. 1741 in Chur als Tochter des Wandermalers Johann Joseph Kauffmann aus
Schwarzenberg geboren, machte Angelika Kauffmann als Frau eine außergewöhnliche Karriere. Mit Wohnsitzen in den kulturellen Zentren London und Rom fand ihre Kunst schon zu Lebzeiten internationale Verbreitung. Zur Heimat ihres Vaters pflegte sie zeitlebens eine enge Verbindung, die die weltweit größte Angelika Kauffmann-Sammlung in Bregenz erklärt. Der Grundstock dafür wurde mit der Gründung des Museumsvereins gelegt, als bereits 1859 die ersten Werke noch aus dem Nachlass der Künstlerin erworben und in der Folge gezielt ergänzt wurden. Kauffmanns kleinformatiges Ölbozetto ist die Ölskizze zu einem ausgeführten Gemälde, das sich heute im Kunsthaus Zürich befindet. Bei vorliegendem Entwurf ist Kauffmanns viel gerühmte Fähigkeit zu „beseelen“ unmittelbar spürbar. Die Geschichte aus der griechischen Antike handelt von Amor, der Psyche nicht ihres Körpers, sondern ihrer Seele wegen liebt. In der Szene umarmt er seine Geliebte in zärtlichem Gestus, mit einer Hand ihr eine Träne trocknend, um sie aus ihrem todesähnlichen Schlaf zu retten. Ute Pfanner

Ruth Schnell | *1956,
Gudrun Bielz | *1954
Punching Ball, 1989
Monitor, VHS-Rekorder, VHS-Kassette, Eisenplatte, Gummiexpander

Ein Punching Ball ist grundsätzlich ein klassisches Gerät aus dem Boxsport. Der modifizierte Punching Ball von Ruth Schnell, entwickelt in Koproduktion mit Gudrun Bielz, besteht aus einem Monitor, der mit einer VHS-Kassette bespielt wird. Das Video zeigt die Weltkugel vom Orbit aus gesehen, die nach rechts rotierend, im Loop den Prozess der Auflösung und Wiederherstellung durchläuft. Schlägt die Betrachterin bzw. der Betrachter auf den Punching Ball ein, wird nicht nur der Monitor in Bewegung versetzt – es wird auch suggeriert, dass im Bild eine Dynamik entsteht, dass der Schlag die Weltkugel verändert. Bewusst zielen die Künstlerinnen auf die veränderte Wahrnehmung, auf eine Illusion ab, die ein bewegtes elektronisches Bild erzeugt, welches aus seiner statischen Begrenzung gelöst wurde. Die Arbeit der Künstlerinnen zeigt auch die Entwicklung der Aufzeichnungsund Wiedergabesysteme und den digitalen Wandel der letzten Jahrzehnte auf. Längst wurde die analoge VHS-Kassette von einem digitalen System abgelöst. Dies wirft auch Fragestellungen bei der Instandhaltung und Konservierung medialen Sammlungsgutes im musealen Bereich auf. — Cornelia Mathis-Rothmund

Herbert Albrecht | *1927
Liegende, 1979
Bronze

Körper, Torsi und Köpfe, der Mensch als Ganzes stehen im
Zentrum des zeitlosen Schaffens von Herbert Albrecht,
dem Doyen der Vorarlberger Bildhauerei. Die Kleinplastik
der Liegenden steht stellvertretend für Albrechts zahlreiche
stehenden, sitzenden und liegenden Skulpturen. Der Stein
zwinge ihn zur Haltung und widersetze sich durch seine Härte
der Schnelllebigkeit unserer Zeit und damit dem Zeitgeist.
Geboren 1927 als ältestes von neun Kindern des Schulleiters
Gebhard Albrecht in Au, studierte er nach der Kunstgewerbeschule in Innsbruck (1941 – 1946) an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Franz Santifaller und Fritz Wotruba (1949 – 1955). Seinen ersten Großauftrag erhielt Albrecht 1960 für die Gestaltung der Fassade der Klosterkirche Mehrerau in Bregenz, wo er die größte Portalplastik, die je in Österreich geschaffen wurde, ausführte. Seit 65 Jahren arbeitet Albrecht mit den klassischen Bildhauer-Materialien Stein und Bronze und steht heute noch mit über 90 Jahren mit ungebrochenem Schaffensdrang
fast täglich im Atelier. Ute Pfanner

Adolf Hild | 1883 – 1954
Inventarbuch
Vorarlberger Landesmuseum, 
1910 – 1948

Tinte, Bleistift auf Papier

Obwohl nicht in einem Inventar oder Katalog verzeichnet, ist dieses Buch das wichtigste des Museums. Es handelt sich nämlich um das von Adolf Hild angelegte Inventarbuch, in dem sämtliche Museumsobjekte, nach Materialgruppen geordnet, verzeichnet wurden. Der gelernte Fotograf Hild wurde mit den Jahren zu einem allseits respektierten Museologen und Amateur-Archäologen. Er arbeitete von 1907 an über vier Jahrzehnte als Verwalter des Museums. Ab Februar 1938 durfte er sich Direktor nennen. Eine Besonderheit dieses Inventars war, dass Hild darin über
einen langen Zeitraum hinweg sehr viele Objekte verzeichnete und vielfach auch Skizzen anfertigte. Er war ein guter Freihandzeichner und mit dieser Vorgangsweise viel schneller als mit dem technisch aufwendigen Fotografieren, das zudem sehr teuer war. Außerdem: Wenn man einen Gegenstand gezeichnet hat, bleibt er wesentlich leichter im Gedächtnis. Und wer einmal erfahren hat, wie mühsam es sein kann, kleine Gegenstände in überfüllten Depotschränken und Regalen zu finden, weiß auch heute noch eine prägnante Skizze von Hild sehr zu schätzen. Peter Melichar

Rath &Winkler
Heimat, 2013
Tondokumente

Die Ausstellung Sein&Mein, die von 2013 bis 2016 im vorarlberg museum zu sehen war, baute auf das Format des „Sichtens“ und stellte die Frage: „Wie klingt Vorarlberg?“ Im Mittelpunkt standen Objekte, die aus Tondokumenten bestanden und das gesprochene Wort gleichermaßen wie musikalische Einspielungen umfassten. Inhalte der Ausstellungen setzten sich mit klassischen Themen der Landesgeschichte und -gegenwart auseinander, wie etwa Landwirtschaft, Hausbau, Zuwanderung, Naturkatastrophen und immer wieder mit Fragen zum Heimatbegriff. Das Statement „Vorarlberg ist anders“ wurde in der Ausstellung vielfach widerlegt. Am Ende beschäftigten sich alle Protagonisten mit der Frage, was denn Heimat sei? Elisabeth Burtscher in ihrem unverkennbaren Walserdialekt verwies darauf, dass ihr eher entgegnet würde, sie spreche komisch, als dass einfach gesagt werde, ich verstehe dich nicht! Heimat ist dort, wo es wehtut, meinte sie in einem früheren Interview. Ähnlich äußerte sich Beat Gugger, für den Heimat dort sei, wo er sich aufrege. Das Ausstellungsobjekt erzählt von Menschen, Landschaften, Stimmungen, Haltungen, Sprache, die alle in die „Heimat“ reinspielen. Andreas Rudigier

Meister von Ottobeuren zugeschrieben | o.D.
Die Enthauptung des hl. Mauritius
um 1520, Holz

Das Relief wird dem Meister von Ottobeuren zugeschrieben, der in der Forschung mit dem Memminger Bildhauer Hans Thomann in Verbindung gebracht wird. Die Kunstgeschichte Vorarlbergs ist während des ganzen Mittelalters und im Besonderen in der Spätgotik sehr stark von Süddeutschland geprägt. Die Spätgotik manifestiert sich in einer großen Anzahl von Flügelaltären, wovon heute nurmehr ein kleiner Rest und oft nur noch einzelne Bilder erhalten sind – wie auch hier. Im späten 15. Jahrhundert und frühen 16. Jahrhundert orientieren sich die Künstler an einem realistischen Stil, der körperbetonte Faltenstile und reale Gesichter zeigt. Mauritius (Moritz) war der legendäre Anführer der Thebäischen Legion, die im frühen 4. Jahrhundert meuterten, als sie im (heutigen) Wallis gegen die Christen kämpfen sollten. Zur Strafe wurden sie alle hingerichtet. Der hl. Mauritius wurde zu einem bekannten Walserheiligen, den wir unter anderem am Kristberg (Silbertal) als Altarfigur finden. Der Heilige wird als römischer Heerführer mit Kettenhemd und seit dem 13. Jahrhundert auch als Person mit dunkler Hautfarbe dargestellt. Hintergrund ist die Interpretation des Namens (Maurus als dunkel beziehungsweise lautmalerisch auf Moritz als „Mohr“). Andreas Rudigier

Anne Marie Jehle | 1937 – 2000
Brot der Welt, 1979 – 1980
Porzellan, Zinn

Das Haus und das Zuhause, das Heim und das Daheim sind zentrale Themen in A. M. Jehles Werk (die Künstlerin bevorzugte das geschlechtsneutrale Kürzel ihres Namens). Das Zuhause ist dabei nicht selbstverständlich positiv besetzt, es konnte auch Ort der Unterdrückung oder des Widerstandes sein. In der Tradition der feministischen Kunst der 1970er Jahre beschäftigte sich A. M. Jehle mit dem Haus als vermeintlich „natürlich weiblichem Umfeld“. Die darin befindlichen Alltagsobjekte entzog sie ihrer ursprünglichen Bestimmung und gab ihnen einen neuen Sinn. Mit geistreichem Humor, spitzer Feder und teils beißender Ironie setzte sie sich mit der sie umgebenden Wirklichkeit  auseinander. Von A. M. Jehle ist bekannt, dass sie ab 1984 erst ihre Ausstellungstätigkeit und 1989 schließlich ihre gesamte Kunstproduktion einstellte. Zuletzt versiegelte sie ihr Haus und brach nach Amerika auf. Sie kehrte nie mehr dorthin zurück. Kathrin Dünser

Angelika Kauffmann | 1741 – 1807
Selbstbildnis im Alter, um 1800
Öl auf Leinwand
Gemeinde Schwarzenberg, vorarlberg museum

Das Altersbildnis der Angelika Kauffmann hätte schon vor gut 100 Jahren in den Besitz des Landesmuseums kommen sollen. Ein sonderbarer Deal erlaubte es einem privaten Gönner des Museums, das Bild aus der angebotenen Sammlung zu nehmen und durch eine Kopie des Vorarlberger Malers Anton Burtscher zu ersetzen. Durch Vererbung gelangte das Bildnis schließlich in südamerikanischen Besitz, von wo es vor wenigen Jahren über ein Auktionshaus verkauft werden sollte. Das vorarlberg museum führte im Auftrag des Landes Vorarlberg und im Namen des Angelika Kauffmann Museums in Schwarzenberg mit den Eigentümern Verhandlungen zwecks Ankauf. Nach monatelangem Ringen, zunächst um den Preis, dann um die formalrechtlichen Rahmenbedingungen, gelang es schließlich Anfang 2018 das Bild zu erwerben. Es gehört je zur Hälfte dem Kauffmann-Museum und dem vorarlberg museum und darf in geraden Jahren im Bregenzerwald und in ungeraden Jahren in Bregenz ausgestellt werden, wenn entsprechendes Interesse besteht. Andreas Rudigier

Karl Salzmann | *1979
Marsch, 2016
Klanginstallation mit 16 Snare Drums mit Ständer (Anzahl variabel), Netzteil, Steuereinheit und Datenträger 
© Bildrecht, Wien 2020

Marsch ist eine aus 16 Marschtrommeln bestehende Klanginstallation. Der Trommelschlag wird mittels Elektronik erzeugt. Dieser Kunstgriff ermöglicht eine rhythmische Komposition ganz ohne ausführende Musiker*innen. Das Instrumentarium spielt computergesteuert einen Militärmarsch und referenziert musikalisch als auch bildhaft auf die den Trommeln oft zugeordnete Funktion als Signalgeber für kriegerische Handlungen und deren Verherrlichung. Kathrin Dünser

Edmund Kalb | 1900 – 1952
Selbstbildnisse
entstanden, 1918 – 1937
Aquarell, Bleistift, Kreide und Tusche auf Papier

Edmund Kalb, ein unangepasster Einzelgänger und skurriler Freigeist, zählt zu den großen Außenseitern der Zwischenkriegszeit in Vorarlberg. Er fertigte über 1000 Selbstbildnisse an, in denen er in der damals geistigen Enge seiner Heimatstadt Dornbirn versuchte, nicht weniger als das Denken darzustellen. Mathematische Denkmodelle sowie kosmische und esoterische Ideen flossen in die stilistisch experimentellen bis zur völligen Auflösung gezeichneten Selbstporträts ein. Mit der tausendfachen Wiederholung seines Gesichtes bei geringfügiger Abwandlung der Ausdrucksmittel rückt Kalb in unmittelbare Nähe des Formalismus der 1920er Jahre. Kalb war sein eigener Archivar, er hat sein Werk immer wieder durchgesehen und dabei unsignierte und undatierte Arbeiten nachträglich mit Ort, Datum, Signatur versehen und zum Teil ausführlich kommentiert. So beschriftete er eine frühe Zeichnung vom 13. Februar 1918 mit: „gefunden 14.Okt.1932 beim Aufräumen überrascht hat mich bei diesem frühen Selbstbildnis der sich bereits ankündigende forschend eindringende Blick.“ Zu Lebzeiten als Künstler in der Öffentlichkeit nicht präsent, konnte das Museum Ende der 1960er Jahre 150 Zeichnungen und Grafiken direkt aus dem Nachlass erwerben. Ute Pfanne

1225 – 1250
Vortragekreuz Ludesch
Kupfer vergoldet, Messing versilbert, Emaille, Glassteine

Das spätromanische Vortragekreuz aus Ludesch mit seinen
Emaille-Einlegearbeiten stammt ursprünglich aus einer Werkstatt in Limoges/Südwestfrankreich. Nachträgliche Veränderungen machen es zu einem Gesamtkunstwerk verschiedener Epochen. Die reliefplastische Figur des „triumphierenden“ Christus im Viernageltypus bildet das Zentrum der Vorderseite. Statt der anzunehmenden Assistenzfiguren wird der Gekreuzigte seit der
Gotisierung von Medaillons mit den vier Evangelistensymbolen begleitet. Die auf plastische Elemente verzichtende Rückseite wird vom weltenherrschenden Christus mit dem Buch des Lebens
und der segnenden Hand (Majestas Domini) bestimmt. Kathrin Dünser

Herbert Meusburger | *1953
Roter Kalk, undatiert (vor 1991)
Roter Kalkstein (Findling)

Meusburger fertigte die Skulptur aus einem Kalksteinfindling von der Roten Wand aus dem Lechquellengebirge, der sich durch seine helle Äderung und den fast ovalen Grundriss auszeichnet. Der Stein ist glattpoliert und wird durch ein unbearbeitetes Band entlang der Längsseite in zwei Hälften geteilt. Bereits als Fünfzehnjähriger besuchte Meusburger die Holzbildhauerschule in Elbigenalp in Tirol und schnitzte fortan sehr erfolgreich religiöse und bäuerliche Motive für eine stets wachsende Sammlerschaft. Um 1980 erfolgte der Bruch, und der gelernte Holzschnitzer entdeckte seine Liebe zum Stein.Vor dem Kauf eines eigenen Steinbruchs im Mühlviertel (Oberösterreich) im Jahr 1991 arbeitete Meusburger mit Findlingen, die er auf seinen Wanderungen in Gebirgsbächen und alpinen Zonen fand. Bereits dieses frühe Werk zeugt von Meusburgers oberstem Gestaltungsprinzip, dem „Trennen und neuerlichen Verbinden“. Kathrin Dünser

Franz Anton Kuen | 1679 – 1742
Apostelköpfe, um 1720
Terrakotta

Was sind das für Köpfe? Sie drücken in höchster Intensität Gefühle aus. Sie spiegeln Angst, Entsetzen, Grauen, auch Ratlosigkeit. Wir wissen, warum: Es sind die Köpfe der engsten Gefährten von Jesus Christus, der „Apostel“ (apostolos bedeutete im Altgriechischen Sendbote). Ihnen hat man den geliebten Meister entrissen, um ihn zu foltern und nach einem fragwürdigen Verfahren hinzurichten. Und einer von ihnen – so wird es überliefert – war ein Verräter. Man kann ihre Verzweiflung verstehen. Wer war der Künstler, der sie geschaffen hat? Franz Anton Kuen war ein aus Bregenz stammender Bildhauer und arbeitete mehrere Jahre in Böhmen. Er gilt als bedeutender Vertreter des radikalen Barock, der für Schnörkellosigkeit und Klarheit steht. Die Apostelköpfe stammen aus einer Serie, die Kuen für die Bregenzer Seekapelle geschaffen hat. Von Kaspar Hagen stammt ein Gedicht über die Seekapelle von 1849, darin finden sich die Zeilen: „Du liebe Kinderkirche, du bist mehr all’ im Sinn mit dina zwölf Apostel in ihre Nischa dinn!“ Nachdem die 1445 erbaute Seekapelle im Zuge mehrerer Restaurierungen sehr in Mitleidenschaft gezogen worden war, schenkte der Bregenzer Magistrat 1877 die Apostelköpfe samt den ursprünglich darunter angebrachten 24 Stifterwappen dem Landesmuseum. Peter Melichar

Joseph Maximilian Seelenmayer
1812 – 1854
Selbstbildnis, ca. 1850
Öl auf Leinwand

Joseph Maximilian Seelenmayer aus Hirschegg im Kleinen Walsertal stammte aus einer kinderreichen Familie. Sein Vater war zwar ein angesehener Wirt und auch als Gerichtsschreiber, Gerichtsanwalt und Gerichtsrat tätig, doch er hatte mit seiner Frau für 14 Kinder zu sorgen. Dem Sohn Joseph Maximilian war daher der Besuch einer kostspieligen Kunstakademie nicht möglich. Ein Freund finanzierte ihm eine kürzere Ausbildung in München. Mit etwa 25 Jahren ließ der Künstler sich in Straßburg nieder, wo er als Kirchenrestaurator tätig war. Er heiratete, lebte in Molsheim nahe Straßburg, wo er im Alter von 43 Jahren an Tuberkulose kinderlos verstarb. Das Werk Seelenmayers ist zerstreut. Im Elsass finden sich 22 Altarbilder und Kreuzwege. Das Landesmuseum besitzt nur zwei Gemälde aus seiner Hand: das hier gezeigte Selbstporträt und eine etwas unheimliche Darstellung des Hauptes von Johannes dem Täufer. Ein Bruder des Künstlers hat sie 1880 dem Museum geschenkt. Seelenmayer musste, um an Aufträge zu kommen, seine Heimat verlassen. Hat schon einmal jemand die Frauen und Männer gezählt, die Vorarlberg verlassen mussten, weil sie hier von ihrer Arbeit nicht leben konnten? Peter Melichar

Hubert Berchtold | 1922 – 1983
Blick aus dem Atelier, 1957
Öl auf Hartfaserplatte

Während einer Reise nach Paris und Südfrankreich im Jahr 1952 begegnete Hubert Berchtold den Werken von Picasso, Matisse, Braque, Chagall und Rouault. Diese Eindrücke hat er in seinen Werken der 1950er Jahre unmittelbar verarbeitet, wie etwa in dem Stillleben "Blick aus dem Atelier". Unbekümmert greift Berchtold auf die Ideen der klassischen Moderne zurück. Der postimpressionistische Bildraum ist nicht zu leugnen. Und wie Rudolf Wacker, den er schätzte, hielt Hubert Berchtold sein Bregenzer Dasein in seiner Malerei wiederholt fest. Aber auch die dunkle Farbpalette von Josef Dobrowski, seinem Professor an der Wiener Akademie, ist offenkundig. Mit warmen Braun und kühlen Blautönen zerlegt er den Raum kubistisch. Noch ist die Tradition der Figuration vorherrschend, die Blickrichtung zum Informel lässt sich jedoch schon erahnen. In weiterer Folge sollte Berchtold zu einem der wichtigsten Maler Vorarlbergs nach dem zweiten Weltkrieg werden. Sein Freund Oscar Sandner sagte einmal über ihn er sei ein „extremer Maler“, nicht nur in der Kunst, sondern auch im Leben. Ute Pfanner

Jörg Frosch | ca. 1550 – 1600
Epitaphium der Familie Altmannshausen
Feldkirch, 1574
Tempera auf Tannenholz

In einer Zeit, in der die Kirche bedingt durch die Reformation als Auftraggeber sakraler Kunst entfiel, profitierten Moritz Frosch und sein Sohn Jörg von der sich einbürgernden Sitte der gemalten Epitaphien, die als Gedenktafeln für Verstorbene von reichen Familien in Auftrag gegeben wurden. In Feldkirch, dem kulturellen und politischem Zentrum Vorarlbergs im
16. Jahrhundert, arbeiteten die Maler Moritz und Jörg Frosch, deren Kunst der Donauschule nahestand, mehrfach für die kaiserlichen sogenannten Hubmeister (von „einheben“), die für die landesfürstlichen Steuern und Abgaben zuständig waren. Für dieses Amt wurden meist schwäbische Adelige ausersehen, weil sie als verlässlich und ehrlich galten. Viele von ihnen wurden nach ihrem Tod auf dem Feldkircher Friedhof begraben. So kam Jörg Frosch zum Auftrag der Totentafel des Michael von Altmannshausen, der 1558 auch Stadtammann in Feldkirch war. Dargestellt ist die Anbetung der Heiligen Drei Könige. Welchen Schicksalsschlägen Familien damals ausgesetzt waren, zeigt die Gedenktafel eindrücklich im unteren Teil – die sechs verstorbenen Kinder der Familie Altmannshausen sind in weißen Totenhemden dargestellt. Zwei verstorbene Frauen des Hubmeisters sind in weiße Tücher gehüllt. Ute Pfanner

Paul Renner | *1957
Krokodil, 2002
Öl und Harz auf Holz

Paul Renner, Künstler, leidenschaftlicher Koch und Mitbegründer des „Hell Fire Touring und Dining Club“ war bis 1984 als Assistent von Hermann Nitsch tätig, bevor er sich mit seinem bekannten Hang zur Kulinarik international einen Namen machte. Mit feurigem Pinselstrich gibt Renner in dunklen, schimmernden Tönen ein Krokodil wieder, welches hier stellvertretend für seine spektakulären Kunstaktionen im Schmelztiegel von Kunst, Speisen und Alkohol steht. Sowohl in seiner Heimat Vorarlberg wie auch in New York oder Wien tritt Renner in Erscheinung. Einer der Höhepunkte war wohl das spektakuläre Theatrum Anatomicum vor dem Kunsthaus Bregenz im Jahr 2007, wo Musik, Kochkunst, Theater, Film, Poesie und Live-Performances gleichzeitig stattfanden. Dazu wurde das historische Teatro Anatomico von Padua (jener Anatomiesaal der Renaissance, in dem die Studenten auf konzentrisch gestaffelten Galeriegeschossen den Vorlesungen und Seziervorführungen des im Zentrum stehenden Dozenten folgen konnten) in einer Holzkonstruktion für 133 Personen nachgebaut. Ute Pfanner

17. /18. Jahrhundert
Leibfessel 
aus der Folterkammer der Fronfeste Bregenz,
Eisen, geschmiedet

Beim Anblick der Leibfessel sollte man sich nicht mit dem Gedanken beruhigen, dass die furchtbaren Zeiten, in denen Menschen gefoltert wurden, vorbei sind. Warum empfinden manche Lust daran, andere zu quälen? Wie konnte man glauben, dass Folter der Wahrheitsfindung diene? Bis zum heutigen Tag wird sie angewandt. Warum? Und von wem? Die in vielen Museen erhaltenen Rechtsaltertümer, also jene Geräte, die für das Vollstrecken von Strafen oder Durchführen sogenannter peinlicher Befragungen angewendet wurden, dokumentieren altertümliche, oft sehr grausam anmutende Praktiken. Man findet Fesseln, Halsbinden, Brenneisen, Leibringe, Fußkugeln oder Fußschrauben, Räder, Prügelbänke und vieles mehr. Die Disziplin, die sich mit der Erforschung all der Geräte beschäftigt, die der Rechtsfindung und Rechtsprechung dienten, nennt man Rechtsarchäologie. Solcherart Geräte in der Sammlung des Landesmuseums stammen durchwegs aus der 1857 abgebrochenen Fronfeste von Bregenz. Unter Maria Theresia war 1776 die Folter abgeschafft worden. Dennoch hatte man die Geräte noch Jahrzehnte bereitgehalten. Vielleicht weil man dachte, sie würden irgendwann wieder Verwendung finden? Peter Melichar

1786
Feuerwehr-Spritzenwagen,
Holz, Metall

Brandkatastrophen gehören zu den am meisten erinnerten Ereignissen von Gemeinden.Während Hochwässer mit Jahreszahlen verbunden werden (etwa 1910) werden Feuerereignisse eher mit Orten verbunden (zum Beispiel Fraxern, das 1934 zu einem großen Teil niederbrannte). In Satteins wütete 1870 das Feuer. Während des Faschings im Jahr 1870 herrschte über Tage ein starker Föhnwind, der dem Feuer in der Nacht zum Rosenmontag den günstigen Boden bereitete. Am Ende starben drei Menschen, wurden 52Wohneinheiten zerstört und 230 Menschen obdachlos. Die Gemeinde hatte seit dem Jahr 1786 eine fahrbare Kolbenspritze besessen, die bei diesem Brand zum Einsatz kam und schließlich 1953 dem Landesmuseum geschenkt wurde. Sie gehört zu den ältesten erhaltenen, fahrbaren Dokumenten der Feuerbekämpfung in Vorarlberg. Wie sehr sie bei der Brandabwehr 1870 geholfen hat, können wir heute nicht abschätzen. Aber die gerade neu errichtete Straße nach Frastanz erleichterte jener Feuerwehr das Kommen, und das Gasthaus Krone überlebte den Brand, weil das Anwesen mit Jauche übergossen wurde. Bemerkenswert auch, das Dachziegel im Unterschied zu Holzschindeln das weitere Ausgreifen des Brandes ebenfalls zu verhindern wussten. Andreas Rudigier

um 1460, Egg/Bregenzerwald
Christus auf dem Palmesel
Tannenholz, farbig gefasst

In den Alpenländern und vor allem im süddeutschen Raum wurden solche Figuren in der Palmsonntagprozession mitgeführt. Der szenische Nachvollzug des Einzugs Christi in Jerusalem ist seit dem Jahre 970 in Augsburg überliefert und hat sich in Thaur in Tirol bis heute erhalten. Ursprünglich wurden für diesen Brauch auch lebende Esel verwendet, wie in der Schweiz oder Antwerpen, wo man einen als Christus Kostümierten auf seinen Rücken setzte. Später wurde das oft störrische Tier fast überall durch hölzerne oder metallene Nachbildungen ersetzt, um unangenehme Zwischenfälle zu vermeiden. Die Christusfigur war häufig abnehmbar, weil am Festtag auch Kinder gegen Gebühr auf dem Esel sitzen durften. Die meisten Palmesel sind dem Bildersturm der Reformationszeit zum Opfer gefallen; die Esel, die den Sturm überstanden, wurden von der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts endgültig verbannt. Der Palmesel aus Egg erinnert zusammen mit jenem vom Bizauer Heimatmuseum an diesen vergangenen Brauch in Vorarlberg. Ute Pfanner

Monika Grabuschnigg | *1987
Bubbleshooter
(aus der Serie „Relics Collection 2015 – 2017“), 2016
Glasierte Keramik, Kunstharz

Grabuschnigg spielt mit kulturellen Zugehörigkeiten und Bedeutungen von Objekten, Symbolen und Ornamenten. In Bubbleshooter widmet sie sich der Kriegs-Ästhetik auf afghanischen Teppichen, wie sie ab den frühen 1980er Jahren produziert wurden und die heute den Weg in diverse Sammlungen gefunden haben. Die Kriegsteppiche zeigen – eingewebt zwischen geometrischen Mustern – Bilder von Waffen und Kriegsmaschinen. In der für sie typischen Herangehensweise dekontextualisiert Grabuschnigg diese Symbole und erschafft daraus ein vermeintlich kitschig-süßes, mit Pastellfarben und Gold bemaltes Vitrinenobjekt aus Keramik. Kraft solcher Verschiebungen visualisiert die Künstlerin unsere fetischgetriebene Konsumgesellschaft ebenso wie den kulturellen Voyeurismus und die Verbindung zwischen Kunstwerk und Konsumgut. Kathrin Dünser

Gebhard Flatz | 1800 – 1881
Jesus mit Maria und Martha, 1865
Öl auf Holz

Das Bild zeigt Jesus im Haus der Schwestern Maria und Martha. Während Maria zu seinen Füßen kniet und ihm andächtig zuhört, ist Martha (hinter Maria stehend) arbeitsam um das leibliche Wohl aller besorgt. Der leicht vorwurfsvolle Blick Marthas in Richtung Jesus verweist auf die Kritik, die sie an der für sie wahrnehmbaren Besserstellung Marias äußert. Jesus wiederum schaut sie an und auf Maria zeigend tadelt er Martha mit dem Hinweis, Maria habe das Bessere gewählt. Die beiden stehen hier für die vita contemplativa (Maria) und für die vita activa (Martha). Martha wurde aufgrund ihrer Rolle auch als Schutzpatronin der Kellnerinnen und Kellner gesehen und so soll eine Martha-Statue an der Theke das Trinkgeld befördern. Gebhard Flatz stammte aus Wolfurt und reiste, wie es sich für einen richtigen Nazarener gehörte, mehrfach nach Rom, wo er auch eine Zeitlang sesshaft wurde. Die Nazarener waren um eine zeichnerische Klarheit und harmonische Kompositionen nach bekannten Vorbildern aus der Renaissance bemüht. Die Bilder zeigen ausnahmslos religiöse Inhalte meist zu Andachtszwecken und nichts sollte von den wesentlichen Inhalten ablenken. Andreas Rudigier

Claudia Larcher | *1979
Self, 2015
Video, Dauer: 9 Min 30 Sek
© Bildrecht, Wien 2020

Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Körpers. Sie ist elastisch und gleichzeitig robust, muss mehrere Funktionen von der Ausscheidung bis zur Nährstoffspeicherung erfüllen und kann, als Identitätsträgerin, beschrieben und markiert werden. Durch Farbwechsel äußert sie sogar Gefühlszustände: Sie ist viel mehr als nur Hülle, mehr als Grenze zwischen Innen und Außen. Claudia Larcher nimmt uns mit auf eine Kamerafahrt über den Körper. Wir sehen in Großaufnahme Poren, feine Härchen und Adern, die auf das Innere des Körpers verweisen. Immer wieder glaubt man, einen Körperteil identifizieren zu können, nur, um im nächsten Augenblick wieder in die Irre geführt zu werden. Immer unheimlicher wird die Fahrt, immer unmöglicher die Ausdehnungen und Verlängerungen. Die Grenze von Innen und Außen verschwimmt zusehends und mündet in einer Auflösung des Bildes. Die dramatische Vertonung stammt von Constantin Popp und unterstreicht subtil die Vorstellung unserer Haut als verselbstständigtes Organ. Kathrin Dünser

Verschiedene Urheber, um 1720 – 1730
Auer Lehrgänge 1 und 2
Tusche auf Papier

Barock ist eine Kunstepoche, die im 16. Jahrhunderte in Italien ihren Anfang nimmt und im regionalen alpinen Raum noch bis weit in das 19. Jahrhundert anzutreffen ist. Die beim Konzil von Trient (1545 – 1563) beschlossene neue Bilderverehrung – als Gegenbewegung zu den bilderfeindlichen Bestrebungen des Luthertums – hatte große Auswirkungen auf die Sakralarchitektur und bot folgend für die bildende Kunst zahllose Auftragsmöglichkeiten. Es waren vor allem die Orden, an erster Stelle sind die Jesuiten zu nennen, die den neuen Stil und die neue Architektur propagierten. Die aus dem Bregenzerwald stammenden Barockbaumeister wussten die neue Mode für sich zu nutzen und schufen in großem Stil Kirchen von überregionaler Bedeutung (Obermarchtal, Weingarten, Birnau u.v.a.). Die hier vorgestellten Auer Lehrgänge sind Kompendien von Skizzen, die der architektonischen Ausbildung dienen. Zwischen 1720 und 1730 dürften sie in der Familie Beer, unter Verwendung von Entwurfsund Studienmaterial der Baumeistergruppen Thumb, Beer und Caspar Moosbrugger, entstanden sein. Die Lehrgänge wurden um 1940 in Bregenzerwälder Privatbesitz gefunden und 2011 dem vorarlberg museum übergeben. Andreas Rudigier

Mitte 13. Jahrhundert
Heiliger Nikolaus
Bleiglasfenster aus Göfis

Silbergelb- und Schwarzlotmalerei / Glas, in Bleiruten gefasst

Die Nikolausscheibe war ursprünglich in einem Fenster der alten Kapelle von Göfis eingesetzt und gelangte 1882 in die Sammlung. Dargestellt ist der hl. Nikolaus in reichem bischöflichen Ornat. In Majuskeln prangt sein Name im äußersten Rundbogen über der streng frontal ausgerichteten Figur. Während die Linke den Bischofsstab umschließt, ist die Rechte zum Segensgestus erhoben. Da das Gemälde seinen unteren Abschluss verloren hat, wirkt die Figur etwas gedrungen (die kreisförmige Ausbuchtung des Hintergrunds dürfte ursprünglich die Mitte der Scheibe bezeichnet haben). Der Heilige wird durch den eng umschließenden Hintergrund aus konzentrischen Bögen geometrisiert und so zum untrennbaren Bestandteil eines ornamentalen Systems von strenger Ordnung. Die Scheibe wird zu einem Teil des architektonischen Ganzen und zeugt von der mittelalterlichen Kirche als ausgeklügeltem Gesamtkunstwerk. Kathrin Dünser

2. Hälfte 19. Jahrhundert
Hochrad aus dem Besitz des Bregenzer Zollamtmannes Madlener
Metall, Holz, Leder

Zur Provenienz des Hochrads ist aus dem Inventarbuch der technischen Sammlung des Museums Folgendes zu entnehmen: „Aus dem Besitz des Bregenzer Zollamtmannes Madlener, zweite Hälfte 19. Jahrhundert.“ Weitere Hinweise fehlen, doch lässt eine vom Bregenzer Historiker Meinrad Pichler verfasste Biografie zu Otto Madlener, der schon vor dem Ersten Weltkrieg als Spitzensportler bekannt war, Querverbindungen zu: Der Besitzer des Hochrads dürfte demnach Ottos Vater, der k. k. Zollwachekommissär Michael Madlener aus Brederis gewesen sein. Madlener hatte sechs Kinder, Otto war das jüngste und wuchs in Bregenz auf. Sein Vater wurde im Lauf seiner Karriere an unterschiedliche Dienstorte versetzt: Tisis, Hittisau, Lustenau, Lochau und zuletzt an das Hauptzollamt nach Bregenz. Otto Madlener war als Sportler vielseitig begabt und profilierte sich als Turner oder Ringer, bei Rodelrennen oder als Radrennfahrer. Und sogar auf einem Hochrad war er erfolgreich: als erster bewältigte er damit 1899 die Strecke über den Brenner, 1913 gewann er in der Klasse der Senioren die Distanz Lustenau – Innsbruck. Ob die Siege mit dem Hochrad aus der Sammlung eingefahren wurden, wissen wir nicht. Theresia Anwander

Erasmus Kern | 1592 – nach 1650
Meschacher Krippe, 1624
Holz, gefasst
Dauerleihgabe der Pfarre St.Wolfgang,
Götzis-Meschach

Krippen haben derzeit in Vorarlberg Hochkonjunktur. 19 Krippenbauvereine bieten alljährlich zahlreiche Krippenbaukurse für Groß und zunehmend auch für Klein an. Einfache mobile und platzsparende Laternenkrippen sind im Moment am beliebtesten, was angesichts der immer kleineren Wohnräume nicht überrascht. Die hier zu betrachtende Krippe ist bald 400 Jahre alt und stellt aufgrund der enormen Größe der Figuren das Gegenteil dar. Gemeint sind die Meschacher Krippenfiguren, die Erasmus Kern, dem bekanntesten Vorarlberger Barockbildhauer, zugeschrieben werden können. Während Darstellungen der Anbetung des Kindes schon in mittelalterlichen Ausführungen zu sehen sind (vor allem in Wandmalereien und Altären), verweisen diese Figuren auf die älteste mobile Krippe, die wir in Vorarlberg kennen. Erhalten haben sich Maria, Josef, zwei Hirten, ein Schaf und die Köpfe des Ochsen und des Esels, das Kind fehlt. Ursprünglich wohl für Feldkirch gemacht, kam die Krippe schließlich nach Meschach (oberhalb von Götzis) und wird außerhalb der Weihnachtszeit vom vorarlberg museum aufbewahrt. Andreas Rudigier

um 1500 /20
Kreuzigungsgruppe
Holz, gefasst

Der Ort der Kreuzigung Jesu war der Legende nach jener Platz, an dem Adam begraben worden war. Adams Schädel (auf Latein „calva“) war deshalb auch namensgebend für die Kalvarienberge, die sich im späten Mittelalter und vor allem in der Barockzeit großer Beliebtheit erfreuten. Sie boten die Möglichkeit, das Leiden und Sterben Jesu in einem spektakulären Freilufttheater in heimischer Gegend nachzuempfinden. Oft sehen wir neben Jesus den guten und bösen Schächer hängen, die im Unterschied zu Jesus ans Kreuz gefesselt und nicht daran geschlagen waren. Das Arabische Kindheitsevangelium berichtet von einer Begegnung der beiden mit dem Kind Jesus. Sie waren Teil einer Räuberbande, ihre Namen werden mit Titus und Dumachus überliefert. Und schon damals soll sich der „Gute“ von dem „Bösen“ unterschieden haben. Es war nämlich Titus zu verdanken, der Dumachus beschenkte, damit die Heilige Familie ungeschoren davonkam. Drei Jahrzehnte später sollten sie Jesus in der Todesstunde wieder begegnen. Der gute Schächer zu seiner Rechten, mit freundlichem Blick Jesus zugewandt, der böse Schächer zur Linken mit fratzenhaftem Gesicht und von Jesus wegblickend. Andreas Rudigier

Mariella Scherling Elia | 1929 – 2017
Die Burkas, die Frau, 2002
Seide, Papiermaché, lackiertes Holz

In Die Burkas, die Frau zeigt Mariella Scherling Elia zehn im Oval aufgestellte Frauenfiguren, die bodenlange Burkas in unterschiedlichen Farben tragen. Sie sind aus schwerer Seide gefertigt und offenbaren die Spuren des harten Lebens ihrer ehemaligen Trägerinnen. Alle Gewänder haben den selben Schnitt: An eine eng anliegende Haube ist ein bodenlanger, fein gezügelter Stoff genäht, der den gesamten Körper wie ein Zelt umschließt. Nur im Bereich des Gesichts ermöglicht ein besticktes ovales Gitter das (stark eingeschränkte) Sehen. Der Gesichtsschleier ist glatt gearbeitet, reicht bis zur Höhe der Oberschenkel und ist an den Rändern mit geometrischen Mustern Ton in Ton bestickt. Sämtliche Burkas stammen aus einem Frauenlager in Islamabad, Pakistan, und gelangten unter großen Mühen dank einer Hilfsorganisation nach Österreich. Für die künstlerische Auseinandersetzung mit dieser, von Scherling Elia als „Unlebensart“ bezeichneten Anonymisierung und Entpersonalisierung der Frau kamen für die Künstlerin weder das Medium Zeichnung noch jenes der Malerei in Frage. Körper sollten es sein. So machte sie sich also daran, all diesen Burkas Büsten aus Papiermaché anzufertigen. Keine Unterleiber. Und nun stehen sie beisammen, vom Leben gebeugt, und führen, einander zugewandt, eine stumme Zwiesprache… Kathrin Dünser

Martin Häusle | 1903 – 1966
Allee am Bodensee, 1942
Öl auf Leinwand

Anlässlich der Atriumsausstellung Leuchtende Bilder, die 2016 im vorarlberg museum in Kooperation mit der Kulturinitiative der Johanniterkirche in Feldkirch und mit der Diözese Feldkirch und somit in Verbindung mit zahlreichen Kirchen in ganz Vorarlberg durchgeführt wurde, gab es letztmals umfangreich Gelegenheit, sich mit dem Werk Martin Häusles auseinanderzusetzen. Dabei standen seine vielfach entworfenen und umgesetzten Glasfenster in den Kirchen des Landes und darüber hinaus (wie etwa in Liechtenstein) im Mittelpunkt. Landschaften wie diese Allee, in starken Farben und malerischem Duktus ausgeführt, gehören neben Porträts zum bevorzugten Repertoire des in Satteins geborenen und in Feldkirch wohnhaften Künstlers. Häusle verfügte über eine ausgezeichnete praktische und theoretische Ausbildung, die es ihm erlaubte, in unterschiedlichen Techniken herausragende Werke zu schaffen. Andreas Rudigier

„Caput Sancti Johannis Baptiste 1496“
Dauerleihgabe Pfarramt Höchst
Johannesschüssel, 1496
Kupfer, Silber, teilweise vergoldet, Umlaufend bez.

Als besondere Form der Verehrung dürfen die Johannesschüsseln / Johanneshäupter gesehen werden. Zurückgehend auf Erzählungen von der unversehrten Auffindung des abgeschlagenen Hauptes, wurden nach einer in der Kathedrale von Amiens aufbewahrten Kopfreliquie Kopien in großer Anzahl angefertigt. Besonders im 15. – 17. Jh. nahm der Johanneskult in der Volksfrömmigkeit und im Wallfahrtswesen stark zu. Johannesschüsseln galten als heilsam bei Kopfweh, Halskrankheiten und Unfruchtbarkeit. Üblicherweise vollplastisch wurden sie meist an der Wand oder über Türen von Johanneskapellen angebracht und am Tage der Enthauptung des Täufers (29. August) auf dem Altar aufgestellt. Gerhard Grabher

3. – 2. Jahrtausend v. Chr.
Pfahlbaufunde aus dem Bodenseegebiet
Stein, Knochen, Horn, Holz,Ton

In den 1850er Jahren erregten die in den alpinen Gebirgsseen der Schweiz, Deutschlands und Frankreichs entdeckten Pfahlbaufelder nicht nur die Beachtung einer größeren Anzahl von Wissenschaftlern, sondern fanden auch Eingang in breite Bevölkerungskreise. Aufgrund der damals noch fehlenden archäologischen Ausgrabungen und unzureichender Datierungsmethoden wurden die Lebensbedingungen der damaligen Siedlungsbewohner idyllisch verklärt. Eine „Pfahlbauromantik“ erschuf ein Bild vorrömischer (keltischer) Familien- oder Sippengemeinschaften, die in einer romantischen Seenlandschaft harmonisch von Jagd und Fischfang lebten. Die geringe Wahrscheinlichkeit in den Uferzonen der Pfänderhänge und im versumpften Rheindelta jemals Vergleichbares entdecken zu können, war auch den Gründervätern des Landesmuseums bewusst. Und trotzdem: ab 1866 bis 1904 fanden insgesamt 550 teilweise recht eigenartig anmutende „echte Pfahlbaufunde“ den Weg in die Schausammlung bzw. das Depot des Museums. Was der Museumsverein nicht selber ankaufen konnte, wurde ihm von finanzkräftigen Mitgliedern geschenkt. Mit Josef Ritter von Bergmann, Samuel Jenny, Carl von Schwerzenbach und Apotheker Louis Kofler werden wiederum die „üblichen Verdächtigen“ genannt. Gerhard Grabher

Hasso Gehrmann | 1924 – 2008
Entwurf „Küche 2000“
(„Elektra Technovision“), um 1969 /70
Filzstift, Bleistift, Tempera auf Zeichenkarton

„Kochen: ja! – aber als müheloses Spiel.“ So lautete ein Ansatz von Hasso Gehrmann zur Entwicklung der Küche 2000 auch Elektra Technovision genannt. In den Jahren 1970/71 rief die Erfindung des Industriedesigners, damals tätig bei Elektra Bregenz, großes mediales Interesse hervor. Immerhin würde es die erste vollautomatische Küche der Welt sein. Sie sollte nur dreieinhalb Quadratmeter beanspruchen und außer Betrieb nicht als Küche wahrnehmbar sein, sondern den Titel „Wohnraumskulptur“ innehaben. Doch würde sich die Küche 2000 als Volltreffer herausstellen und in Massenproduktion für den Jedermann-Erwerb gehen? Über die Herstellung eines Prototyps ging es schlussendlich nicht hinaus, was zugleich das Ende einer Illusion bedeutete. Im Nachhinein betrachtete Gehrmann die bahnbrechende Erfindung als 30 Jahre zu früh entstanden, denn die Küche und ebenso seine Idee der „totalen Wohnung“ konnten sich nicht durchsetzen. Es hätte ein Großprojekt werden sollen und können, doch vor allem das Wohnkonzept stiftete Aufruhr wider die gängigen Vorstellungen der damaligen Zeit – es hätte ein Umdenken in Richtung eines individuellen Wohnverhaltens verlangt. Cornelia Mathis-Rothmund

um 1860
Puppenküche
Holz, Metallarten, Steingut, Modelliermasse, Glas, Leder, Textil, Naturfasern, Naturseife

Vor wenigen Jahren übernahm das vorarlberg museum die Sammlung des Spielzeugmuseums Wolfurt. Der Bestand ist vielfältig und macht die Spielgewohnheiten vergangener Kindergenerationen und Gesellschaftsschichten genauso sichtbar, wie traditionelles Erziehungsverständnis. Doch was ist eigentlich Kindheit? Die Auffassung darüber ist einem permanenten Wandel unterworfen und unbeschwertes „Kind-sein-können“ ist global gesehen auch heute noch ein Privileg. Jedenfalls sollten Puppenhäuser und Puppenküchen vor allem Mädchen spielerisch auf das Führen eines Haushalts vorbereiten.Waren noch im 17. Jahrhundert große Puppenhäuser mit mehreren Räumen ein wichtiges Spielzeug von Mädchen aus der Oberschicht, verlagerte sich in den folgenden Jahrhunderten das Geschehen auf die wesentlichen Räume häuslicher Tätigkeiten. Technisch perfekt und detailgetreu ausgerüstete Puppenküchen oder einzelne Puppenherde etablierten sich ab dem 18. Jahrhundert als eigene Spielzeuggattung. Die Puppenküche aus der Sammlung ist mit Geschirr, Töpfen, Besteck und weiteren Utensilien bestens ausgestattet. Einem kulinarischen Genuss steht nichts mehr im Wege. Theresia Anwander

Gottfried Bechtold | *1947
Schwarze Diana, 1993
Eschenholz, Epoxydharz

Gottfried Bechtold zählt zu den herausragenden Künstlern Österreichs. Spätestens seit seiner Teilnahme an der documenta 5 im Jahr 1972 ist der in Bregenz und Hörbranz lebende und arbeitende Bechtold über die Grenzen Vorarlbergs hinaus bekannt. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Erweiterung des herkömmlichen Kunstbegriffes. Nicht nur mit seinen legendären Beton-Porsches machte sich der Künstler einen Namen, sondern auch mit seiner Serie der Ready Maids. Für diese behandelt und poliert der Künstler Astgabeln, damit sie wie kopflose Frauenkörper aussehen. Der Name Ready Maid ist ein humorvolles Wortspiel. Zum einem nimmt er Bezug auf die Form, die an die Beine einer jungen Frau („Maid“) erinnert. Zum anderen schwingt im Titel der vom französischen Künstler Marcel Duchamp (1887 – 1968) geprägte Begriff „Ready Made“ mit. Damit bezeichnete der Dadaist einen zum Kunstobjekt erklärten Alltagsgegenstand, wie sein erstes Roue de Bicyclette, übersetzt Fahrrad-Rad, im Jahr 1913. Eine weitere Ready Maid Bechtolds steht seit 2006 auf dem Platz der Wiener Symphoniker vor dem Festspielhaus in Bregenz. Wie die Schwarze Diana zeigt die 6,90 Meter hohe Bronzefigur das Abbild eines sich gabelnden Baumstamms, der in seiner Umkehrung einem schreitenden Wesen gleicht. Ute Pfanner

Tone Fink | *1944
Juppe, 1981
Papier, Klebeband, Textilklebeband, Garn

Im umfassenden Oeuvre von Tone Fink spielt die Auseinandersetzung mit Textilien und deren Haptik und Ästhetik immer wieder eine tragende Rolle. Mit der Juppe aus Papier übersetzt er die Formensprache der Bregenzerwälder Juppe, der traditionellen Frauentracht seiner Heimat, in eine neue Materialität, ohne dabei ihre charakteristischen Merkmale zu verleugnen. Die kostümhistorisch interessante, weil bis ins Mittelalter zurückgehende Schnittform des Röhrenrocks bleibt genauso erhalten, wie die plissierten Falten der Tracht, die durch eine speziell konstruierte Fältelmaschine erzeugt werden. Vor dem Fälteln wird der Leinenstoff der Juppe in einem Sud aus Lederresten und schwarzer Farbe gekocht, getrocknet und anschließend durch eine Kalandermaschine geführt. Durch den Druck der Walzen wird das Gewebe gequetscht und es entsteht der typische Glanz. Dieser Vorgang heißt im Bregenzerwald "Glästen“, abgeleitet vom mittelhochdeutschen Begriff für Glanz. Dieser tiefschwarze Glanz des Leinenstoffes verändert sich in Tone Finks Papierkleid zu naturfarbenem Weiß. Erhalten bleibt in jedem Fall die sakrale Anmutung des Gewandes. Theresia Anwander

Franz Huemer | 1924 – 2012
Madonna mit der Zahl 7
Holz, farbig gefasst

Franz Huemer kommt 1924 als uneheliches Kind der Julia Berta Perterer im Bahnwärterhäuschen Nr. 49 in Feldkirch zur Welt. Mit Ausnahme des Kriegsdienstes und seiner Aufenthalte in der Nervenheilanstalt verbringt er sein ganzes Leben in dieser einfachen Unterkunft. Seine künstlerische Karriere beginnt Huemer nach traumatischen Erlebnissen in der Kriegsgefangenschaft und Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken Mitte der 1950er Jahre. Nach einer Ausbildung an der Schnitzschule Elbigenalp im Lechtal schlägt Huemer sich als Holzschnitzer mit der Herstellung von Krippen und Kopien barocker Heiligenfiguren durch. Nach einem künstlerischen „Erweckungserlebnis“ im Jahr 1957 beschließt Huemer, sich vom„Kommerzialismus“ abzuwenden. Er lässt sich von Fundobjekten, Verwitterungsspuren und Felszeichnungen inspirieren. Gleichzeitig beginnt der Künstler, auf seinen Streifzügen Wurzeln zu sammeln, die er in Skulpturen verwandelt. Um die im Holz versteckten Figuren herauszuarbeiten, benützt er Schnitzmesser und Pinsel. Das Sehen und Entschlüsseln sieht Franz Huemer bald als seine eigentliche künstlerische Aufgabe und begreift sich fortan selbst als Visionär und Zwischenzeilenleser. Kathrin Dünser

Veronika Schubert | *1981
In erster Linie – First and Foremost, 2016
Video, Dauer: 5 Min 30 Sek
© Bildrecht, Wien 2020

Als in Österreich 2015 tausende Flüchtlinge ankamen, war es die sogenannte Zivilgesellschaft, die in den ersten Wochen die größten Hilfsleistungen erbracht hat, während die Politiker*innen über europäische Solidarität stritten. Die Debatte um Grenzzäune bildete dabei den Ausgangspunkt in Schuberts Beschäftigung mit der Sprache der Politik. Basis für die Animation waren Zeitraffer-Aufnahmen von Wolkenformationen. Mit Hilfe eines Gravierstiftes wurden die Umrisslinien der Wolken auf etwas mehr als 3000 Glasplättchen übertragen. Die so entstandenen Linien ähneln sich ständig verändernden Grenzlinien auf Landkarten. Zu hören sind die zu einem neuen „Sinngefüge“ aneinandergereihte Satzfetzen von Journalist*innen und Politiker*innen. Die einzelnen Sätze entstammen Nachrichtensendungen des österreichischen Fernsehens während dieser Zeit. Eine wunderbare Zusammenfassung des Umgangs der Politik mit der Flüchtlingskrise 2015! Kathrin Dünser

18. Jahrhundert
Montafoner Holzräderuhr
Holz, Eisenlegierung, Messing, Blei, Leinen

Die 1708 hergestellte Uhr war 2016 Teil der Ausstellung zu den Montafoner Holzräderuhren, und der Frastanzer Sammler und Kenner Reinhard Häfele schreibt dazu Folgendes: „Die sehr frühe und ungewöhnlich große Uhr zeigt Merkmale, die auch an den meisten (allen?) Montafoner Holzräderuhren zu finden sind. Die markantesten sind wohl die Balkenwaag, die einfache und eher grobe Bauweise, die Grundform des hochgestellten Quaders sowie das Dekor aus sternförmigen Punzen auf Wellen und Pfeilern und auf dem Steigrad. Auffällig abweichend ist hingegen das Fehlen der an allen späteren Montafoner Holzräderuhren zu beobachtenden Verschraubung des Werkgestells mittels hölzerner Muttern. Man gewinnt den Eindruck, dass dieses Exemplar ziemlich am Beginn eines sich im Laufe des 18. Jahrhunderts herausbildenden Typs stand. Die Merkmale sind noch nicht so gefestigt wie bei späteren Uhren aus dem Montafon. Die Räder dieser Uhr sind aus Apfelbaum. Sie zeigt lediglich die Stunden an. Vermutlich dienten ursprünglich Steingewichte als Antrieb von Gehwerk und Stundenschlagwerk.“ Andreas Rudigier

Daniel Mauch zugeschrieben 
um 1477 – 1540
Hl. Familie (Teil eines Altares)
um 1510, Holz

Zu den zwischen 1500 und 1525 häufig im Alpenraum verehrten Heiligen zählt die hl. Anna, die Großmutter Jesu. Hier ist vor allem auf die Sippenaltäre zu verweisen, die die weit verzweigten Familienverhältnisse der hl. Anna nach einem festen ikonografischen Programm zeigten. Dazu zählt auch dieses Relief, das einst Teil eines größeren Altares war. Im Mittelpunkt stand die hl. Anna Selbdritt (mit Maria und Jesus), hinter Maria wurde ihr Mann Josef gezeigt, hinter Anna wiederum versammelten sich ihre drei Männer Joachim (der Vater Mariens), Kleophas und Salomas. Auf den seitlichen Flügeln bekamen die Töchter des Kleophas („Maria Kleophas“) und des Salomas („Maria Salomas“) mit ihren Familien ihre Plätze. Das Relief hier stellt Maria Kleophas mit ihrem Mann Alphäus und ihren vier Kindern ( Jakobus der Jüngere, Judas Thaddäus, Simon und Joseph der Gerechte), eines davon wird gestillt, dar. Die Tafel war 1915 aus Privatbesitz in Gortipohl (Montafon) angekauft worden. Vielleicht stand der Altar ja einst in der dortigen Kirche (dem hl. Nikolaus und der hl. Anna geweiht) und wurde im Zuge des verheerenden Lawinenunglücks von 1689 zerstört. Neben diesem Relief gibt es jedenfalls noch eine zweite Tafel aus dem hinteren Montafon, die bestens zum Altar passt und ins Landesmuseum verbracht worden ist. Andreas Rudigier

Mitte 15. Jahrhundert
Nuppenbecher, sog. Krautstrunk
Hellgrünes Formglas (Waldglas); Knochenreste, Wachs(?)-Deckel, Papier mit rotem Siegel des Suffraganbischofs von Chur

Mit seinen aufgeschmolzenen Nuppen ähnelt dieses mittelalterliche Trinkgefäß einem Weißkohlstrunk. Die grüne Farbe resultiert aus minimalen Mengen an Eisenoxid im Quarzsand, der zusammen mit Pottasche (Kaliumcarbonat) den Rohstoff für Glas bildet. Über viele Stunden erhitzt gelangte das Gemisch in den Schmelzofen und wurde dann in Form geblasen. Neben seiner Funktion als Trinkgefäß für Bier und Wein diente der Krautstrunk gelegentlich auch als Messwein- und Reliquienbehältnis. Der Krautstrunk wurde zusammen mit zwei ähnlichen Reliquiengläsern im Zuge der Kirchenrestaurierung 1971 aus Haupt- und Seitenaltären der Pfarrkirche Hl. Agnes in Klaus /Vorarlberg geborgen und dem vorarlberg museum übergeben. Im Glas fand sich neben Knochenfragmenten auch eine Urkunde. Kathrin Dünser

Rudolf Wacker | 1893 – 1939
Das Fenster, 1931
Mischtechnik auf Sperrholz

Studium in Weimar, Erster Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft in Sibirien, Metropole Berlin, Kleinstadt Bregenz – dies sind die Stationen im Leben Rudolf Wackers.Was ihn nie mehr losgelassen hat, waren die Erfahrungen des Weltkrieges und seine Folgen. Zwei Drittel seines Werkes widmete Wacker der Stilllebenmalerei, die überhaupt als das Thema der Malerei des Magischen Realismus angesehen werden kann. In seinen Porträts, Stillleben, Städte- und Landschaftsbildern schilderte er die Wirklichkeit in altmeisterlicher Manier mit dem Anspruch, die Dingwelt zu entschleiern und die Trümmer der bürgerlichen Welt darzustellen. Wie viele andere kämpfte Wacker mit den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Zwischenkriegszeit. „Es ist schwer, die Heimat endgültig aufzugeben, traurig, den Garten zu verlieren […]“, schrieb Rudolf Wacker 1931 in seinem Tagebuch, als das Bild mit Blick aus seinem Fenster auf den Bodensee und die Dächer von Bregenz entstand. Das Gemälde besticht durch eine einfache, klare Komposition, die zentrale Rolle des „Christus ohne Arme“ und den Zeppelin am Horizont. Doch die zeitgenössische Kunstkritik empörte sich über die „unmögliche“ Zusammenstellung der Motive aus Wackers privater Welt und verwehrte ihm jegliche Anerkennung. Ute Pfanner

Radomir Petrovic (ehemaliger Besitzer)
Sporttasche „Rote Stern Bregenz“
um 1970, Kunststoff

Radomir Petrovic kam in jungen Jahren nach Vorarlberg, um hier alsbald in der Textilindustrie Arbeit zu finden. Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts standen für wirtschaftliche Prosperität und starke Einbindung von Arbeitskräften, die aus der Türkei und (dem ehemaligen) Jugoslawien kamen. Die einfache abgetragene Sporttasche trägt neben dem Namen des Besitzers auch den Namen jenes Fußballvereins, bei dem er in Vorarlberg spielte: Rote(r) Stern Bregenz. Die so genannte Jugoliga erfreute sich bei den Zuwanderern vom Balkan großer Beliebtheit, bis zu jenem Zeitpunkt, als der Krieg Anfang der 1990er Jahre das ehemalige Jugoslawien in zahlreiche Einzelstaaten zerfallen ließ. Ab diesem Zeitpunkt suchten die Fußballer in Vorarlberg auch jeweils in eigenen Ligen ihr Glück. Die Sporttasche spielte in der Vermittlung neuer Ausstellungsformate im Zuge des Neubaus des vorarlberg museums 2012/13 eine besondere Rolle, stand sie doch für den bislang im Landesmuseum nicht gesammelten Bereich der Migration. Die Tasche wurde auch anlässlich der Verleihung des Europäischen Museumspreises 2015 in Glasgow gezeigt, bei dem das vorarlberg museum eine „Besondere Empfehlung“ für sein Konzept erhielt. Andreas Rudigier

Egon Goldner |*1945
Häuserschlucht I,1970
Tusche, Feder auf Papier

Der Stil ist so eigenwillig wie der Mensch, der dahintersteckt. Mit kurzem Strich, tausende Male wiederholt, mal breiter, mal dünner, dann verdichtet dann weiter auseinander gesetzt, zu erkennbaren Formen komponiert, dann wieder abstrakt bleibend oder die Musikalität direkt betonend, indem das Notenblatt sichtbar wird. So präsentiert sich Egon Goldner als Zeichner durch und durch. Der gelernte Buchdrucker hat sich bald aufs Zeichnen verlegt. Nach einem vielversprechenden Beginn verscherzte es sich Goldner aber zunehmend mit potenziellen Unterstützer*innen. Goldners ausgedehnten Wanderjahre begannen, und auch wenn ihm Berlin gut gefallen hätte, ging er schließlich mit seiner Freundin nach Asien, wo Indien für ein Jahrzehnt seine Heimat werden sollte. Leider sind seine Arbeiten aus dieser Zeit verlorengegangen. Heute lebt Goldner zurückgezogen in Wien. Seine Ausstellung 2016 im vorarlberg museum erinnerte an den großen Vorarlberger Künstler, von dem wir alle gerne mehr gesehen hätten. Andreas Rudigier

Franz Beer | 1896 – 1979
Heuerinnen bei Au im Bregenzerwald
1940, Fotografie

Franz Beer arbeitete als Bauzeichner und Werksfotograf bei F. M. Hämmerle in Dornbirn. Man liest, Beer habe Vorarlberg als „Dokumentar“ wahrgenommen. Doch stimmt das? Was sich in Beers Fotos – so wie sie publiziert und bislang ausgestellt wurden – spiegelt, ist ein aufs Bäuerliche und Ländliche reduziertes Vorarlberg. Obwohl Beer selbst sich geweigert haben soll, der nationalsozialistischen Partei beizutreten, dürften seine Fotos den Vertretern des völkischen Gedankenguts sehr entgegengekommen sein, da die von ihm abgebildete alpine Berglandschaft die Vorstellungen von völkischer Reinheit ideal widerspiegelte. Bemerkenswert ist nicht, wie er fotografiert, sondern was er abbildet und was nicht. Alles, was seine politischen Vorstellungen, Wünsche,Träume und Sehnsüchte stören könnte, blendet er aus. Die Menschen in seinen Bildern sind totale Bäuerinnen und Bauern. Die Landschaft ist von keiner irgendwie modern anmutenden Veränderung angekränkelt, sondern gesund und ursprünglich. Die Fotos von Franz Beer eigneten sich hervorragend, Vorarlberg in die„totale Heimat“zu verwandeln. Darum wurden sie auch nach 1945 so oft verwendet. Peter Melichar


Ausstellungskatalog

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Erscheinungstermin:
11. Dezember 2020
Erhältlich im Museumsshop und in ausgewählten Buchhandlungen.

AKTION bis 23. Dezember
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Die Kuratorinnen und Kuratoren