Ganz schön viel zu tun – Verwalten
Im Römischen Reich gibt es für Siedlungen unterschiedliche Rechte. Diese Rechte haben mit Selbständigkeit, Gerichtsbarkeit und Steuern zu tun. Das wird auch für Brigantium gelten. Brigantium wird ein stadtähnlicher Ort werden, nie eine Stadt mit allen Rechten, auch kein Municipium, im Sinne einer von Rom abhängigen Stadt. Sicherlich aber mehr als eine dörfliche Siedlung, nämlich der Hauptort in der Umgebung mit zahlreichen öffentlichen – zum Teil sehr großen – Gebäuden.

Wer hier wohnt und kein Römer ist, wird immerhin einen Posten in der Stadtverwaltung bekommen können, zuständig für die Verwaltung, für religiöse Angelegenheiten, für den Friedhof, für wirtschaftliche Regelungen wie die Festlegung der Markttage und für die Ansiedlung von Gewerbetreibenden wie Gerbereien oder Schmieden.

Eine Stellung mit Ansehen, für die man aber auch Geld braucht, um selbst Straßen, Wasserleitungen und Vergnügungsstätten zu bezahlen, für die der Staat nicht aufkommt. In Brigantium werden mehrere dieser reicheren Leute leben. Ihre Häuser werden – weil vornehm – erkennbar sein. Auch später.

Ganz schön viel Arbeit!
Brigantium wird als Hauptort für das lokale Handwerk und für #Händler wichtig sein. Was man zum täglichen Leben braucht und manchmal darüber hinaus, wird hier oder in der Gegend hergestellt und verkauft werden.

Außerordentliche Spezialberufe werden hier wohl nicht gebraucht, aber Händler, Transporteure und Erzeuger von Waren durchaus. Schmiede, Schuhmacher, Zimmerer, Drechsler, Steinmetze und Töpfer – vielleicht auch Töpferinnen, Schneider, Wirte – und Übersetzer?

Die römischen Soldaten und ihre Begleitung werden nicht nur ihre Sprache mitbringen, sondern auch ihren Lebensstil. Annehmlichkeiten, die praktisch sind: Steinhäuser. Das Bad. Die Reibschüssel. Das Wissen, welche Rechte Bürger, Frauen, Einwohner und Sklavinnen haben.

Es werden sich hier in Brigantium – wie überall im Römischen Reich – Lebensstile, Dinge und Bräuche auch vermischen – man weiß da von einigen Beispielen. Den „keltischen“ Kurzmantel etwa übernimmt sogar das römische Heer. Weil er praktisch und gut ist.

Ganz schön viele Änderungen!
Der römische Lebensstil wird Einzug halten in Brigantium. Vor 2000 Jahren. Das Bild, das wir heute von den Änderungen erhalten, die sich im Bodenseeraum durch den Einfluss der Römer ergeben, wird von den Spuren bestimmt, die sie dort hinterlassen.

Die Gegenstände, die Bilder, die Schriften. Die veränderte Sprache. Es werden Zahlungen an Rom zu leisten sein, aber die kaiserliche Propaganda, das Heer und die Händler werden den bisher hier Lebenden auch Vorteile bringen, für manche Prestige.

Die Dichter werden berichten. Diese Begeisterten werden zur Akzeptanz der neuen Herren beitragen. Vieles davon wird bis heute erhalten sein. Vielleicht ist nur ein Bruchteil davon erst erforscht, und was im Laufe der Zeit wieder verschwunden ist, davon werden wir leider wenig erfahren.

Ganz schön viel weite Welt.
as Leben in Brigantium wird in den ersten 100 Jahren nach Beginn unserer Zeitrechnung sehr von der Lage der Siedlung am Schnittpunkt vieler Wege profitieren. Das wissen schon vorher keltische Fürsten, umso mehr aber die Römer. Die hier produzierten Güter können bald in weiter entfernte Gegenden verkauft werden. Neue Märkte, gute Netze. Und Ideen von neu hinzugekommenen Menschen.

Wer glänzendes Geschirr auf dem Tisch stehen hat, wird seine Bedeutung auch ohne viele Worte vermitteln, wenn er wen einlädt. Wer es sich leisten kann, zeigt dies. Auf dem Markt und in den Straßenläden werden Getreide, Gemüse, Obst, Fleisch oder Fisch angeboten. Kochtöpfe, Schuhe, Werkzeuge oder einfache Kleidung wird man vermutlich auch direkt bei den Handwerkern kaufen können. Auch in Brigantium ist es möglich, Austern von der Atlantikküste zu bekommen, Oliven, Olivenöl und würzige Fischsaucen aus den Mittelmeerländern, eingelegte Fische, getrocknete Feigen. Datteln, Pinienkerne, Granatäpfel, Gewürze. Sesamsamen und Reis. Auch Glas, Marmor und edles Tafelgeschirr sind beliebte Importgüter.

Die Stadt im Knoten eines Netzes.
Eine Stadt wird man an der Kreuzung großer Wege bauen. Oder vor einer großen Herausforderung. Vor einem Alpenübergang zum Beispiel, vor Stromschnellen. Brigantium wird an einem Platz entstehen, der das alles hat.

Wer von Norden nach Süden will, wird hier vorbeikommen. Im Norden die Stadt Augsburg (Municipium Aelium Augustum), im Süden Mailand (Mediolanum). Dazwischen ein wichtiger Weg. Auch von Westen nach Osten. Auch über das Wasser. Auch über die Berge. Über das Po-Tal, den Comer See und die Bündner Pässe bis Chur in der Schweiz, von wo aus der Rhein schiffbar wird. Schon die Kelten sind dort mit Schiffen und Floßen hinauf- und hinuntergefahren. Tiere und Menschen zum Tragen und Ziehen der Boote stromaufwärts gibt es dort auch. Ein Netzwerk. Die Wege am Wasser werden von Schiffern genützt, die Pfade und Straßen von Läufern, Trägern und Wägen. Die Stadt an der Kreuzung wird allen zum Ausrasten und Handeln dienen, zum Ankommen, Treffen, Planen und Koordinieren. Zum Leben.

Ganz schön kompakt – Kurzfassung zum Weitererzählen
Brigantium war eine römerzeitliche Siedlung am Bodensee. Bevor die Römer kamen, lebten in dieser Gegend Kelten. Brigantium wurde von den Römern zu einem Hauptort am Bodensee ausgebaut. Mit Verwaltung, einem Platz zum Handeln, für Dienstleistung und Handwerk, anfangs einem Militärlager und wenigen umliegenden Gutshöfen zur Versorgung. Das Straßennetz wurde gut ausgebaut.

Es ist nicht ganz klar, wie viele Menschen nach Abzug des Heeres hier genau wohnten, und was die Römer mit Brigantium eigentlich vorhatten. Irgendwie erscheint alles zu groß, um unbedeutend zu sein. Wollten die römischen Machthaber – wie überall in der Provinz – ihren Anspruch sichtbar machen? Einen Anspruch, der sich mit den politischen Grenzen verschiebt:

200 Jahre nach dem Beginn unserer Zeitrechnung wurde Brigantium zunehmend weniger gepflegt und erhalten. Die Gegend wurde weniger bedeutend, Hauptwege führten anderswo vorbei. Vom Norden her kamen zunehmend neue Menschen in die Gegend. Nur der Friedhof blieb am selben Platz. Die Siedlung Brigantium aber ist gewandert, vom ursprünglichen Ort am Ölrain hinauf zur Oberstadt. Warum? Wofür? Und wer erzählt darüber? Wir können nur spekulieren.

Forum Brigantium.
Ganz schön groß wird der „Hauptplatz“ der neuen römischen Siedlung sein. Das Forum Brigantium. Wie üblich mit Tempel, Marktständen, einem umlaufenden Gang mit Säulen und Dach und vielleicht einer dreischiffigen Versammlungshalle am Rand, der so genannten Basilica. Ein Treffpunkt für Feste und Geschäfte. Alles wie überall im Römischen Reich. Aber irgendwie zu groß für das kleine Brigantium! Fast so groß wie ein Fußballfeld ist das Forum. Das findet der Vorarlberger Textilfabrikant Samuel Jenny 1888 heraus.

Er interessierte sich sehr für die römische Vergangenheit und ließ unermüdlich danach in der Erde suchen. Ausgrabungen brachten neue Details zu Tage gebracht: Am Rande der angrenzenden Straße schützen Poller die Fußgänger. Die Rückwände des umlaufenden Säulengangs waren vier Meter hoch, bemalt in Rot und Gelb. Zwei private Häuser mussten abgerissen werden, um einen Platz für alle zu schaffen. Vielleicht hätte ein kleinerer Platz gereicht? Was hatten die Römer vor mit diesem Ort?

Römer oder so?
Ein Forum groß wie ein Fußballfeld, eine Therme, das Handwerks- und Händlerquartier am Bregenzer Tschermakgarten – die öffentlichen und privaten Bauten aus dem Brigantium des 1. Jh. n. Chr. beflügeln die Fantasie. War Bregenz zur Römerzeit eine Stadt? Vieles deutet darauf hin, aber ein eindeutiger Beweis dafür fehlt. Wer lebte hier? Gab es eine Verwaltung, ein Steuer- und Sozialwesen? Wie war das wirtschaftliche Leben organisiert und wie das religiöse?

Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und archäologischer Funde lädt die Ausstellung "Weltstadt oder so?" dazu ein, gut informiert über Brigantium, seine Bewohner und Besucher zu spekulieren.

Werfen Sie auch einen Blick ins Ausstellungsarchiv "Römer oder so" 2013 - 2018 

Film: xkoop creative Berlin