Über 50 Publikationen sind seit der Wiedereröffnung des Hauses im Jahr 2013 in der Schriftenreihe des vorarlberg museums erschienen: Kataloge zu Ausstellungen, Monografien über Vorarlberger Architektinnen und Architekten, Bücher über Politiker oder zu historischen Ereignissen.
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Liebeslied
bestimmt, wir sind zu zerstreut
wenn wir uns lieben
wenn wir lieben
vergessen wir das brot
das hemd und die blume
in uns irgendwo zwei körper
zwei messer zwei sonnen
eine brandung sicherlich
daß es draußen
purpurne nächte gibt
vergessen wir
wo dein antlitz ist
wo dein schatten
dunkle legende in einem augenblick
Kundeyt Şurdum: Hier endet die Fremde, 2022, S .60
»Er dichtet in deutscher Sprache. Seine Gedichte haben einen selten gehörten Ton. Es macht dies der selbstverständliche, unschuldige Umgang mit dem Pathos. In allen seinen Gedichten tönt Pathos, aber – wenn diese Unterscheidung einmal gemacht werden darf – keines seiner Gedichte ist pathetisch. Im Ton dieser Gedichte liegt die Begründung, warum sie geschrieben wurden: aus dem Gefühl der Ergriffenheit. Und Ergriffenheit ist die ursprüngliche Bedeutung von Pathos, bevor dieses zum Pathetischen verkommen ist. Die Lyrik hat das Pathos mißbraucht wie keine andere Gattung. Das Zartbesaitete und das Grobgehackte teilen sich die Beute. Keine andere Gattung hat sich selbst in solche Nähe zu übelsten Politikerreden gebracht. Und immer ging dabei die Verführung vom Pathos aus. Vom Pathos und dessen Vermeidung, muß man hinzufügen; denn auch dort, wo alle Leidenschaftlichkeit, alle Ergriffenheit ausgetrieben ist, hat die Beute den Räuber besiegt. Die Qualität von Lyrik ließe sich unter anderem daran untersuchen, wie sie mit dem Pathos umgeht. Wovor fürchtet sich der Dichter? Davor, daß ihn seine eigene Ergriffenheit an der Nase herumführt; daß er ergriffen wird von nichts, daß er Begriff und Empfindung nicht auseinanderhalten kann – daß ihn seine eigenen Worte betrügen.
Leseprobe Werkausgabe
Kundeyt Şurdum: "Hier endet die Fremde" Werkausgabe
Ist dies einmal geschehen, bleibt Mißtrauen zurück, das die Liebe stört. Er schließt Versicherungen ab. Und damit ist eine Richtung eingeschlagen. Entweder er bläst die Empfindungen auf zum Pathetischen oder er treibt sie aus und endet bei in zerhackten Zeilen abgefaßten Leitartikeln. Einen dritten Weg in diese Richtung gibt es nicht. Welche Bilder werfen die Dinge auf unsere Sinne? Das sind Fragen – Wer? Was? Wo? Wann? Wie? – niemals die Frage: Warum? Die einen Fragewörter lassen Bilder entstehen, das andere gibt Antworten, aus Bildern können Gedichte entstehen, aus Antworten niemals. Warum heißt der Lockstoff des Pathetischen. Und er ist so verführerisch, weil Denken allemal leichter ist als Sehen. Es kann einer denkfaul gescholten werden, aber man kann einem nicht Sehfaulheit vorwerfen. Beim Denken kann einen der Fleiß retten, beim Dichten nicht. Kundeyt Şurdum findet in den Dingen das Erhabene, weil er an die Erhabenheit der Welt glaubt. Nur wer im Grunde von ihrer Niedrigkeit überzeugt ist, meint, den Dingen müsse der Atem eines Dichters eingeblasen werden.«
Auszug Nachwort von Michael Köhlmeier zum Gedichtband „Unter einem geliehenen Himmel“, in der Werksausgabe S. 403f
Überlegungen zur Kunst von Gesine Probst-Bösch
Die erste Retrospektive zur Künstlerin Gesine Probst-Bösch (1944–1994): Geboren in Weimar, verbrachte sie ihr Leben in Wien, Vorarlberg und München. Ein Leben, das geprägt ist von großer Empfindsamkeit – und ihre Kunst eine beeindruckende Wesensschau, die mithilfe weniger Linien und geheimnisvoller Chiffren den Kern der Dinge ergründet. Papier ist dabei das bevorzugte Medium und das verbindende Element zwischen Literatin und bildender Künstlerin.
Nach dem Malereistudium schrieb sie Gedichte, Prosa und Hörspiele. Später schuf sie, in nur wenigen Jahren gegen Ende ihres Lebens, Gemälde und Zeichnungen. Sie zeichnen sich durch formale Reduktion aus, aber auch durch ihre Komplexität und einen Hang zur beinahe surrealen Kombination ungewöhnlicher Motive. Ein beträchtlicher Teil ihres OEuvres dreht sich um den menschlichen Körper.
Einen besonderen Stellenwert nehmen jene Arbeiten ein, in denen Körper und Objekte miteinander verschmelzen. […] Eine Figur trägt einen Gegenstand – vielleicht eine Wassermelone? – auf dem Kopf (Abb. 5); zwei andere scheinen mit Bäumen oder Stühlen – oder sind es Gefährte? – zu verwachsen (Abb. 6). Hybride aus Penis und Früchten ordnen sich patternartig auf der Bildfläche an (Abb. 7).
In vielen Zeichnungen und Gemälden der Künstlerin kommen Fragmente von Körpern vor, häufig in Kombination mit anderen Körperteilen: Ein Kopf, der nur einen Mund besitzt, schwebt auf weißem Grund. An Stelle des Ohrs trägt er eine Hand, die den Daumen aufwärts streckt. Brüste umzingeln ihn von drei Seiten (Abb. 1).
Die Abgeschlossenheit, die Separierung in einem eigenen Raum korrespondiert bei Probst-Bösch mit ihrer Erfahrung der Abgeschiedenheit in der Valduna, einer psychiatrischen Anstalt in Rankweil, wo sie 1988 war.13 Eingeschlossen, geschützt, beides? Eine Ambivalenz, die sich auch in den Arbeiten beobachten lässt.
Schwangerschaft und Geburt nehmen im umfangreichen OEu v re von Gesine Probst-Bösch eine besondere Stellung ein. Zahlreiche Zeichnungen zeigen Geburtsvorgänge: Abb. 15 und Abb. 16 etwa lassen ein Baby direkt aus der Vagina der Mutter stürzen oder purzeln;
Beitrag von Nina Schedlmayer
Gesamter Beitrag
Zur Publikation
Zur Ausstellung im DOCK 20 Lustenau
Der Alpinist und Maler Nino Malfatti im Gespräch mit Direktor Andreas Rudigier
"Die Malfattis können auf eine außergewöhnliche »europäische« Familiengeschichte zurückblicken, mit Verbindungen zu prominenten Fürstenhäusern. Ihr Großvater Josef Malfatti (1863 bis 1946) stammte aus Cognola, das zur Stadt Trient gehört, wo Malfatti noch immer ein klingender Name ist, wie der Palazzo Malfatti oder die Via Bartolomeo Malfatti belegen. Und Sie sind heute noch Grundbesitzer in Rumänien." (Andreas Rudigier)
"Ich sage immer, dass ein Stein millionenfach addiert das Matterhorn ergibt. Also das ist eine reine Zufälligkeit. Natürlich ist das Matterhorn eine schöne oder eine interessante Form, aber das ist für mich weniger ausschlaggebend. Für mich ist die innere Befindlichkeit oder das Innenleben der Berge, nämlich das, was wir ohne Horizont sehen, unglaublich wichtig. Und das ist dann schon fast existenziell, also philosophisch, wenn man so will." (Nino Malfatti)
"Die Großmutter hatte sich mit Bildhauerei beschäftigt. [...] Mein Vater hatte auch eine künstlerische Ader, es gibt Gedichte von ihm. Mein Bruder Radu ist ein bekannter Jazzmusiker, ursprünglich Posaunist und seit Jahren Komponist. Ich habe mich auch als Musiker betätigt, mein Instrument ist aber das Schlagzeug. Als Twilight Stompers aus Innsbruck sind wir in den sechziger Jahren bei Jazzfestivals aufgetreten, es gibt sogar Plattenaufnahmen." (Nino Malfatti)
"Als dann 2019 die Ausstellung tatsächlich zur beschlossenen Sache wurde, lief mir nicht nur die Glücks-Gänsehaut über den Rücken, sondern ich machte mich daran, im Atelier eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Zufrieden zählte ich etwa 40 zum Teil großformatige Werke von Vorarlberger Motiven. [...] Mit den nun für die Ausstellung geplanten Werken würden es 48 Arbeiten sein, also rund die Hälfte der ganzen Ausstellung." [99 Bilder insgesmat behingen schlussendlich die 17m hohen Atriumswände] (Nino Malfatti)
Beitrag von Andreas Rudigier
Ein Stuttgarter Sammler überlässt dem vorarlberg museum Werke des Kleinwalsertaler Künstlers.
Vor allem nach seiner 1962 erfolgten Rückkehr ins Haus auf der „Haldenhöhe“ (Kleinwalsertal) wuchs beständig sein historisches und volkskundliches Interesse an den traditionellen Bauformen des Walsertals. Detlef Willand sah schon bald die Gefahr, welcher die alten Häuser ausgesetzt waren: „Der Drang, viel Geld zu verdienen, war und ist mit einer Art Rücksichtslosigkeit verbunden. Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur, aber auch gegen die Kultur. Das wurde mir als Künstler immer bewusster.“ (Ds Huus, S. 12)
Anfang der 70er Jahre wurde Detlef Willand in die Hans-Thoma-Gesellschaft berufen, ein wichtiger Schritt, hatte er doch von da an einen guten Kontakt zu Sammlern geschaffen.
Sie sind wichtig für die Arbeit Willands, der stets auf Werbung verzichtete und deshalb stark von der Mundpropaganda lebte und lebt. Einer dieser Sammler, Günter Kurz aus Stuttgart, übergab nun seine Willand-Sammlung dem vorarlberg museum. Die Schenkung umfasst vorwiegend Bücher über die Arbeit des Holzschneiders, die als Vorzugsausgaben mit Holzschnitten zu verstehen sind, und daneben einige Einzelblätter.
Detlef Willand wurde 1935 in Heidenheim an der Brenz (Baden-Württemberg) geboren und wuchs im Kleinwalsertal auf. 1955 bis 1957 lernte er unter anderem beim Bildhauer Josef Henselmann in München, und war als Restaurator tätig. 1960 kehrte er ins Kleinwalsertal mit dem Ziel zurück, hier als Bildhauer tätig zu werden. Spätestens nach dem Brand seiner Werkstatt 1962, der ihm auch der Voraussetzungen für das bildhauerische Arbeiten beraubte, orientierte sich Willand über die Zeichnung zum Holzschnitt hin.
Inhaltlich wird deutlich, dass sich der Künstler in seinen Arbeiten vor allem mit den kulturgeschichtlichen Errungenschaften seiner Heimat Kleinwalsertal und mit einer zunehmenden Kritik im Umgang damit auseinandersetzt.
Detlef Willand gab schon vor Jahren im Verlag Presse sein Lebenswerk, Erzeugnisse der Holzschnittkunst, unter dem Titel „Holzschneiden 1970–2005“ heraus.
Beitrag von Andreas Rudigier
Neues Bauen in Vorarlberg und Tirol (1960–1979)
Die Architekten Fohn, Pfanner, Sillaber und Wengler lernten sich 1959 bei einer Wettbewerbsteilnahme kennen und arbeiteten in den darauffolgenden Jahren in einer überregionalen Architektengemeinschaft mit Sitz in Bregenz und Innsbruck zusammen. Ihre avantgardistische Nachkriegsarchitektur zeichnet sich durch die Verwendung von Sichtbeton, dem großzügigen Einsatz von Fensterflächen und die durchdachte Anordnung einzelner Baukörper aus. Überdachte Außengänge dienen als Übergangszone zwischen Innen- und Außenraum und korrespondieren mit der umliegenden Landschaft. Bereits zu ihrer Entstehungszeit fanden die von C4 geplanten Gebäude über den Vorarlberger und Tiroler Architekturkontext hinaus österreichweite Beachtung, wie eine Vielzahl an Artikeln in Fachzeitschriften belegt.
Beitrag von Laura Fuchs
Gesamter Beitrag
Sonderausstellung "Karl Sillaber und C4 Architekten
Das Baden im Bodensee wird heute als sommerlicher Freizeitspaß erlebt und gelebt. Das war nicht immer so. In den vergangenen Jahrhunderten diente das Baden fast ausschließlich der Körperhygiene. Die Einhaltung von Sitte und Moral spielte dabei eine wichtige Rolle, weswegen das Baden in Bregenz ab dem 17. Jahrhundert strengen Regeln unterworfen war. Die Ausstellung „Kann denn Baden Sünde sein?“ erzählt die Geschichte der Bregenzer Badekultur vom 17. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre.
Beitrag von Birgit Heinzle und Thomas Klagian
Ausstellung im Martinsturm Bregenz
Auf dem Gute der »ehrwürdigen Klosterfrauen zu Thalbach« konnte der damalige Museumsvereinsobmann Samuel Jenny 1878 einen großen Bereich des damals noch weitgehend unbekannten Zentrums von Brigantium freilegen. Nach dem Nachweis eines 37 m langen Teilstücks der römerzeitlichen Hauptstraße konzentrierte er seine Untersuchungen auf die südlich anstoßende Bebauung, weil »so tief abgetragene Mauern, wie es jene nach dem See hin gelegenen sind, in keiner Weise die für ihre Durchforschung aufzuwendenden Mühen« lohnen. Schon wenig später legte seine Grabungsmannschaft das erste Gebäude des heute so bezeichneten Handwerker- und Händlerquartiers frei (einige wenige Mauern dieses Quartiers sind in der Unterkonstruktion des Seniorenheimes Tschermakgarten konserviert) und entdeckte zwischen »Kieselmauern« 1,35 m unter dem Rasen die oberste Stufe einer bis zu 137 cm breiten Treppenanlage aus »schön behauenen« Sandsteinquadern:
Beitrag von Gerhard Grabher, Archäologe am vorarlberg museum
Im 23 Meter hohen Lichthof des vorarlberg museums darf man sich ab dem 26. März 2021 wie im Hochgebirge fühlen. In fünf Kapiteln schlägt dort die Ausstellung „2000 Meter über dem Meer. Vorarlberg, Silvretta und die Kunst“ eine Brücke vom Sammlungsschwerpunkt „Berge“ zu den künstlerischen Positionen, die das SilvrettAtelier Montafon, ein biennal stattfindendes Symposium im Hochgebirge, 2020 hervorgebracht hat. Für alle, die lieber zu Hause bleiben und dennoch auf Kulturgenuss nicht verzichten mögen, erscheint ein umfassender Katalog mit spannenden Beiträgen und einer Fotoserie von Gerhard Klocker.
Kapitel 1. Der Berg als Idol
Die grundlegende Idee dieser Ausstellung basiert auf der unterschiedlichen Rezeption der Berge in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Vom Berg als Idol, dessen Unerreichbarkeit oftmals verklärt und beinahe mystisch überhöht wiedergegeben wird, erzählen sehr viele der in der Sammlung des vorarlberg museums befindlichen Kunstwerke. Die Gipfel wurden dabei oft untersichtig dargestellt, und das lag nicht nur an der mangelnden Infrastruktur, sondern am Wunsch, den Berg als Metapher für Übergang und Ungewissheit, für Anfang und Ende heranzuziehen. Die Vereinnahmung der Berge durch den Nationalsozialismus führte ab den 1950er Jahren dazu, dass diese Art der Wiedergabe für lange Jahre eine Art Tabu in den Augen vieler Künstler*innen darstellte.
Kapitel 2. Die Bezwingung des Idols
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann man damit, die Natur zu bezwingen. Die fortschreitende Technisierung der Gebirgswelt öffnete einen neuen Zugang zum Thema Berg und die Wahrnehmung der Landschaft veränderte sich nachhaltig. In den Berg geschnittene Passstraßen ermöglichten eine neue Form des Tourismus, und bald schon war es sogar Untrainierten möglich, sich über der Baumgrenze zu bewegen. Die Domestizierung und Unterwerfung der Natur wurde auch in der Kunst immer öfter thematisiert. Lawinenschutzwälle, Baustellen, Seilbahnen, Hochgebirgsstationen mit Panoramafenstern – all das war auf einmal abbildungswürdig.
Kapitel 3. Die Nachbildung des Idols
Einen humorvollen Zugang, der, statt abzubilden, das Gesehene in ganz unterschiedlichen Arten nachbildet, fanden zahlreiche Künstler*innen in den letzten Jahren. Die „Kopie“ reicht dabei von „transportable mountains“ über fiktive Pistenpläne in erfundenen Gebirgslandschaften, in Wachs verewigtem Sediment einer Region bis hin zu 1:1-Abdrücken von Staumauern im Hochgebirge.
Kapitel 4. Die Einverleibung des Idols
Von der Nachbildung führt der Weg unweigerlich zum direkten Eingriff in die Natur. Von klassischen Land-art-Projekten über manipulierte Fotografien bis hin zu „ausgelöschten“ Wegmarkierungen haben Künstler*innen Wege gefunden, sich die Natur „einzuverleiben“. Wurde bislang nach der Natur geschaffen, so fällt auf, dass in den letzten Jahrzehnten plötzlich mit der Natur gestaltet wird: idealistisch, manipulativ, satirisch, manchmal dokumentarisch, niemals jedoch zweckfrei und rein abbildend, rückt die Kunst dem Berg zu Leibe.
Kapitel 5. Das SilvrettAtelier 2020
Im Sommer 2020 fand zum zwölften Mal das von Roland Haas initiierte internationale Kunstsymposium im Gebiet der Silvretta Montafon statt. Zwei Wochen verbrachten die Teilnehmer*innen auf der Versettla, erkundeten die umliegenden Gipfel, ließen die berührte und unberührte Natur auf sich wirken und arbeiteten sich in ganz unterschiedlichen Medien an der überwältigenden Landschaft ab. Als Basislager diente den Künstler*innen das Bergrestaurant „Nova Stoba“. Ob und wie die die aktuellen Positionen der partizipierenden Künstler*innen in die vier vorangestellten Kapitel passen, darf als spannendes Experiment gesehen werden und unterliegt der individuellen Einschätzung der Betrachter*innen!
Kathrin Dünser, Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung
Die Vorarlberger Künstlerin Miriam Prantl hat für das Stiegenhaus des vorarlberg museums eine Lichtinstallation geschaffen. Die Arbeit mit dem Titel „Farben/Lichter/ See“ erstreckt sich vom Erdgeschoss bis in den vierten Stock – ein leises Spiel mit Farben, die Lichtstimmungen am See nachempfunden sind.
Im Interview im museum magazin erzählt sie von der Bedeutung der Kunst für den Menschen und der Kulturgeschichte, von ihren Tanz- und Banderfahrungen und ihre Arbeit im Treppenhaus.
Beitrag von Andreas Rudigier.
"[Was meinst Du mit „infrage gestellt“?] Zum einen ist der Individualismus schon zur Spitze getrieben worden, es muss wieder mehr auf andere geschaut werden …"
"Die Überwindung der Schwerkraft faszinierte mich sehr, ich wollte Tänzerin oder am besten Astronautin werden."
"Kunst muss frei bleiben, sie sollte eine Herzensangelegenheit bleiben."
"Als ich 1986 nach London bin, habe ich in einer neuen Band gespielt und der Stil hatte sich geändert, Punkelemente kamen dazu, die klassische Gitarre spielte jetzt auch eine Rolle."
"Die Farbe in den Raum zu bringen, ging dann über das Licht. Für mich ein konsequenter Weg."
"Als ich 1986 nach London bin, habe ich in einer neuen Band gespielt und der Stil hatte sich geändert, Punkelemente kamen dazu, die klassische Gitarre spielte jetzt auch eine Rolle."
„Fremd” waren und sind in Vorarlberg viele, die in der Vergangenheit hierher gekommen sind und – zu einem Teil – immer noch hier arbeiten und leben. Als fremd wurden und werden sie angesehen, behandelt, als fremd empfanden und empfinden sie sich wohl auch selbst. Das Fremde ist aber auch immer das Neue und umgekehrt: Wer oder was neu ist, ist uns zunächst fremd, mag sie, er oder es sich als gut und brauchbar oder böse und unnütz erweisen.
Ein Beitrag über Migration in Vorarlberg von Peter Melichar, Historiker am vorarlberg museum
Fotos von Nikolaus Walter
Die Bilder des Feldkircher Fotografen Nikolaus Walter liefern keine Antworten oder Lösungen. Sie machen aber sowohl kulturelle Differenzen als auch das gesellschaftliche Miteinander sichtbar, werfen einen ungeschminkten Blick auf das Andere, das Fremde, das ein Teil unserer Gesellschaft und damit von uns selbst ist. Die Bilder sind nicht belehrend, aber wenn man eine Lehre aus ihnen ziehen kann, dann ist es vielleicht die, dass es zuweilen sinnvoll ist, sich selbst zum Fremden zu machen, der auf das Eigene aus der Ferne blickt und dann Befremdliches sieht.
50 Fotografien wurden 2010 vom vorarlberg museum angekauft. Der Fotograf ist in der Sonderausstellung Sehen, wer wir sind mit einem Foto der Serie vertreten.
Nikolaus Walter, geb. 1945 in Rankweil, Fotograf, lebt in Feldkirch. Arbeitete als Ansichtskartenfotograf in London, für Publishers Weekly in New York, die Stadt Bregenz, die Textildruckfirma Rueff in Muntlix, für die Vorarlberger Lebenshilfe, die Caritas Vorarlberg, die Bregenzer Festspiele, das Vorarlberger Landestheater, die Arbeiterkammer Vorarlberg und das Institut für Sozialdienste. Reisen durch Großbritannien, USA, Neuseeland, Frankreich, Spanien, Brasilien, Indien und Weißrußland. Von ihm gibt es zahlreiche Buchveröffentlichungen.
Eine Einführung in das Thema
Zum Begriff„Krippe“ Der evangelische Text spricht zentrale Motive der Krippendarstellung an: die Geburt des Kindes, die Existenz einer Krippe, in welcher das Kind einen Platz findet, die Verkündung an die Hirten und das Herbeieilen derselben zur Krippe. Der Begriff der Krippe dürfte in seiner ersten Bedeutung „graben, vertiefen“ gemeint haben, wobei die Grube zur Fütterung der Tiere eine Ableitung darstellt und zum anderen aber auch der geflochtene Futterkorb anzuführen ist. Die Futterkrippen sind über einen langen Zeitraum als geflochtene Behälter bekannt gewesen. Die Erklärung dafür geht auf den Umstand zurück, dass sich im Lauf der Jahrhunderte die germanische Wurzel kreb (flechten) in beide Richtungen, nämlich „Krippe“ und „Korb“, entwickelt haben soll.2
Beitrag von Andreas Rudigier
Was macht das Zebra vor der Krippe? - Krippenverein Götzis
Die Dorfkrippe in Götzis – lebensgroße Figuren und Tiere, gemalt auf planen Holzplatten in einem hölzernen Stall. 2019 bekommt die noch fast figurenleere Krippe vor Weihnachten besonderen Besuch –von einem Zebra; und sorgte damit für Schmunzeln ebenso wie für Stirnrunzeln. Emil Bell, der Mann hinter den Figuren, äußert sich nicht dazu, sein Zebra soll ein Rätsel und offen für Interpretationen bleiben. Aber wie kam es denn dahin?
Beitrag von Magdalena Venier im Gespräch mit Emil Bell und Willi Pröll
Die Geschichte des in Vergessenheit geratenen und nun wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu bringenden Bregenzer Fotografen Werner Schlegel beginnt mit Stevie Wonders großartiger Motown-LP „Signed Sealed & Delivered“ von 1970. Dieses feine Stück Soulmusik auf Vinyl erstand ich bei einem morgendlichen Flohmarktbesuch im Jahr 2016 für zwei Euro. Den weiteren Tag ließen mich die – ebenfalls auf dem kleinen privaten Markt stapelweise angebotenen – Schwarzweißfotografien in Gedanken nicht mehr los, sodass ich nochmals loszog, um kurz darauf mit mehreren orangeroten AGFA-Fotoschachteln aus dem Nachlass Werner Schlegels nach Hause zu kommen.
Werner Schlegel ist bis dato allenfalls AnsichtskartensammlerInnen ein Begriff, da er, und das war vermutlich eine seiner Haupteinnahmequellen als Berufsfotograf, die eigenen Stadt- und Landschaftsaufnahmen selbst verlegte. So findet man auf diesen Ansichtskarten bild- wie adressseitig den Autorenvermerk „Aufnahme und Verlag W. Schlegel Bregenz“.
Die Ausstellung „3-D um 1930“ über die Stereofotografien Norbert Bertolinis, im Frühjahr 2018 im vorarlberg museum, war dann für mich Anlass, meine mittlerweile auf mehrere tausend Einzelstücke angewachsene Sammlung (Negative, Positive sowie verschiedenste Dokumente) dem Museum, namentlich Kathrin Dünser zu zeigen. Schnell stellte sich heraus, dass die beiden, Bertolini, ein wohlhabender Privatier und begeisterter Hobbyfotograf und Schlegel, ein junger, sagen wir aufstrebender Berufsfotograf, zumindest zeitweise eng befreundet waren. Neben der Leidenschaft Fotografie teilten sie ihr Interesse am Ski- und Bergsport, die Faszination an Individualmobilität (Sportwägen, Motorräder), eine allgemeine Abenteuerlust und nicht zuletzt die nationalsozialistische Gesinnung.
Es ist nicht übertrieben, wenn man den nur 36 Jahre alt gewordenen Werner Schlegel als eine vielschichtige, auch widersprüchliche Persönlichkeit charakterisiert. Neben seinem Beruf und den erwähnten Leidenschaften war er kurzzeitig Zirkusdirektor, Afrikafahrer, Mitglied im Liederkranz, im Faschings- und Turnverein, Schriftführer im Verein für Münzkunde, Ehemann und Vater, Innungsmeister, Mitglied der NSDAP und SA sowie Soldat im Zweiten Weltkrieg.
Im [Beitrag] soll, nach einem biografischen Überblick, vor allem sein facettenreiches fotografisches Œuvre anhand einiger Bildbeispiele vorgestellt werden. Abschließend werden die bis dato gesammelten Fakten zur politischen Person Werner Schlegels, mitsamt Bildbeispielen des „NS-Fotografen“, vorgelegt.
Beitrag von Arno Gehrer
gesamter Beitrag
Zur Publikation "Müßiggänger. Norbert Bertolini, ein Amateurfotograf zwischen den Kriegen"
Vergeblich bot der Autodidakt Otmar Burtscher (1894–1966) zu Lebzeiten seine Bilder in Sonntag, der Heimat seiner Familie, zum Verkauf an. Nun lädt eine Sonderausstellung des Museums Großes Walsertal zwei Sommer lang zur Auseinandersetzung mit seiner Kunst ein. Neben den Werken, die Kenner*innen sowie Kolleg*innen der malenden Zunft bis heute staunen lassen, stellt Kurator Willibald Feinig einen schwer kriegsverletzten Menschen in den Mittelpunkt, der für die Kunst gelebt hat. Für die einen war der in Altach wohnende Mann mit dem Walserhut „dr‘ närsch Otmar“, andere sahen in ihm einen Philosophen und „Propheten der einfachen Lebenskultur“.
Beitrag von Monika Kühne im museum magazin, Ausgabe 25/2020
„Es hat die ganze Nacht geschneit. Am Morgen ist nichts mehr zu sehen von den Trümmern, dem Gerümpel, von Chaos und Dreck. Alle Unregelmäßigkeiten, jede Unübersichtlichkeit ist verschwunden. Eine dicke Schneedecke hat sich über die Ansammlung im Hinterhof gelegt und alle Ecken und Kanten mit ihren sanften Formen bedeckt. Kein Schmutz mehr. Nichts, das stört. Sogar der Lärm fehlt. Alles liegt in dumpfer Stille. Die vereinzelten schwarzen Löcher, die wie klagende Mäuler in der weißen Landschaft klaffen, können die Idylle kaum trüben.“ So beginnt das fünfte und letzte Kapitel im Begleitband zur Ausstellungsreihe „Bespielung 2. OG“. Text: Kathrin Dünser
Was bisher geschah …
Jedes Jahr beauftragt die Vorarlberger Landesregierung die Ankaufsbevollmächtigten der Kunstkommission mit dem Kauf zeitgenössischer Kunst. Um zu verhindern, dass diese Ankäufe sogleich in den (Un-)Tiefen des Depots verschwinden, hatte Andreas Rudigier bereits 2013 die Idee, Vorarlberger Kunstschaffende mit einer Intervention zu beauftragen. Alle zwei Jahre werden seither Künstler*innen eingeladen, sämtliche dieser Ankäufe zu sichten und in weiterer Folge ihre ganz persönliche Auswahl im 2. Stockwerk des vorarlberg museums zur Diskussion zu stellen. Auf Hubert Matts „27. Kapitel“ folgte 2015 Christine Lederer mit ihren „Greatest Hits by“, die beiden letzten Jahre widmeten sich Severin und Pirmin Hagen in insgesamt fünf Ausstellungen der ihnen gestellten Aufgabe.
Bespielung 2. OG
Das Kuratorenduo „KAF“ (das Kürzel könnte z. B. für „KuratorischeAnarchistenFraktion“ stehen), wie sich die Hagen-Brüder auch nennen, setzte bei seiner Intervention den Fokus erstmals nicht auf Einzelwerke, sondern widmete sich ganz allgemeinen Fragen des Sammelns. Ganz besonders interessierte sie dabei die Entwicklung eines neuen und allgemeingültigen Ordnungsprinzips, das künftig auch auf sämtliche Neuzugänge Anwendung finden könnte.
Dafür erarbeiteten Severin und Pirmin Hagen fünf Kategorien, die sie mit Namen von tatsächlich existierenden Kunstwerken belegten: „Opferlandschaft“ (Richard Bösch), „Kopfähnliche“ (Robert Schad), „‘Freie‘ Schülerarbeiten von 15-jährigen Knaben“ (Sylvia Taraba), „I’m the Indian of the group“ (Helmut King) und „Löcher, die nicht einmal der Schnee zudeckt“ (Armin Pramstaller). Diese fünf Kategorien würden künftig ausreichen, um die gesamte Sammlung zu organisieren. Sämtliche Ausstellungsaktivitäten verlagerten die Hagen-Brüder ins Druckwerk nach Lustenau. Dort zeigten sie in bislang vier Ausstellungen ihre ganz persönliche Auswahl aus den Kunstankäufen des Landes seit 1974. Im vorarlberg museum waren derweil nur die Stimmen der Künstler präsent: Über sogenannte „Soundduschen“, angebracht in der Galerie im zweiten Stockwerk, tropften während der täglichen Öffnungszeiten die Gespräche der beiden von der Decke. Die zugehörigen Schaufenster blieben während dieser Zeit aber leer. Die Fülle der Sammlung sollte durch die Verweigerung einer konkreten Auswahl als Leere sichtbar gemacht werden.
Der „krönende“ und daher verzögerte Abschluss
Unter dem vielsagenden Titel „Löcher, die nicht einmal der Schnee zudeckt“ hätte der letzte Teil der Reihe am 17. März eröffnet werden sollen. Das abschließende fünfte Kapitel bezieht sich zum einen auf das, was in der Sammlung fehlt, was nicht mehr oder noch nicht vorhanden ist, sowie auf unvollständig und fehlerhaft Dokumentiertes. Zum anderen spielen Leerstellen und Löcher als Themen in der Kunst eine Rolle. Die Anknüpfungspunkte zur derzeitigen Lage sind unbeabsichtigt, doch überaus treffend.
Coronabedingt harrt die fertig gehängte Auswahl im Druckwerk seit Mitte März ihrer Besucher*innen. Und da der abschließenden Schau mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit gebührt wie den vorangegangenen, wurde die Ausstellungsdauer bis Ende Juli verlängert! Die ausgewählten Arbeiten interpretieren das fünfte Ordnungsprinzip auf ganz unterschiedliche Weise: Während Maria Anwander (geb. 1980) ein ganzes Flash Art Magazine ausradiert, schaufelt Kurt Matt (geb. 1950) tiefe Löcher in die Erde und nutzt Ilse Aberer (geb. 1954) das klassische weiße Passepartout, um mit spitzer Klinge monochrome Freiräume zu schaffen. Daneben entledigt sich in Liddy Scheffknechts (geb. 1980) Fotomontage das Gerüst der Fassade und somit seiner Daseinsberechtigung, Ingo Springenschmid (1942–2016) collagiert Texte, Fotos und bemalte Folien zu einem „Haus des Windes“ und Armin Pramstaller (1938–2002) widmet sich in der titelgebenden Radierung akribisch einer riesigen Schottergrube. Wie erfüllend Lücken und Leerstellen sein können, macht erst der Besuch dieser Ausstellung erfahrbar!
Magdalena Häusle-Hagmann:
„We love the idea of having the painting at your museum.“ Über den Ankauf des Selbstporträts Angelika Kauffmanns im Alter
Andreas Rudigier:
Die Mondsichelmadonna und die Frage nach ihrer Urheberschaft
Karl Oberhofer:
Ein Bronzeflügel aus dem Forum des römischen Bregenz
Erstmals in seiner langen Tradition steht hinter dem Jahrbuch ein Herausgeberteam
von Fachfrauen und Fachmännern verschiedenster Disziplinen. Darüber hinaus wurde Raum für Neues geschaffen: In einer eigenen Rubrik werden erstmals Bilder und Objekte mit kurzen Texten in ihren lebensweltlichen Bezügen
präsentiert.
Die Geschichte seiner ‚Ausreise‘, die Versuche, den Altar zurückzukaufen sowie die nun endlich gelungene Rückerwerbung machen einen nicht zu unterschätzenden Teil seiner Bedeutung aus.
Die Ausstellung des Altars in der Kristberger St. Agatha Kapelle im vergangenen September, nach zumindest 140-jähriger Abwesenheit, ließ die Emotionen ein weiteres Mal hochgehen. Und nun das: Die fehlende beziehungsweise die vermutlich in den 1960er Jahren ausgetauschte Figur des hl. Georg (Schreinmittelfigur) kann nun ab 6. März diesen Jahres wieder mit dem Kristberger Flügelaltar vereint werden. Damit findet eine der spannendsten „Kunstgeschichten“ ihren hoffentlich endgültigen Abschluss.
Beitrag von Andreas Rudigier im museum magazin, Ausgabe 25/2020
In den Vorarlberger Gebirgszügen und Felsen befinden sich Hunderte kleine und große Höhlen, die kaum jemandem bekannt sind. Grund dafür ist oftmals, dass die kleinen Reiche gut verborgen sind. Wer aber einmal eine Eingangspforte in das Innere der Berge gefunden hat, muss neben einer guten Ausrüstung auch eine gehörige Portion Schwindelfreiheit und Vertrauen in das Gestein mitbringen. Ein großer Teil jener Mutigen, die sich durch enge Gänge wagen und sich am Seil ins Dunkel hinablassen, sind die Expert*innen des Karst- und höhlenkundlichen Ausschusses des Vorarlberger Landesmuseumsvereins.
Seit der Gründung 1956 sind sie an der vordersten Front mit dabei, wenn es darum geht, neue Höhlen zu erkunden und zu vermessen. Einer von ihnen ist Emil Büchel, der mit Jahresbeginn sein Amt als Obmann der Höhlenforscher*innen an seinen Nachfolger Ronald Sottopietra übergeben hat. Emil Büchel war bereits der vierte Obmann in der Geschichte des Ausschusses, erster Obmann war Walter Krieg: Den Grazer Geomorphologen verschlug es der Liebe wegen nach Bregenz. Schon als Student interessierte er sich für Höhlen und war in dieser Zeit als Höhlenführer in der Semriacher Lurgrotte tätig. In Vorarlberg suchte er nach entsprechenden Kontakten; Höhlenforschung steckte hier noch in den Kinderschuhen.
Das Wenige in Sachen Höhlenforschung war aufgrund des Schwerpunkts auf Archäologie bereits im Bereich des Landesmuseums angesiedelt, weshalb sich Krieg dazu entschied, künftig im Rahmen des VLMV zu agieren. Er gründete den Karst- und höhlenkundlichen Ausschuss. Das erklärt auch, wieso die Höhlenforscher*innen, anders als in anderen österreichischen Bundesländern, keinen eigenständigen Verein haben. Krieg konnte während seiner Amtszeit sein großes Netzwerk nutzen, was dazu führte, dass die Höhlenforscher*innen zahlreiche internationale Exkursionen unternehmen konnten und viele Publikationen veröffentlicht wurden. Nach Kriegs überraschendem Tod im Jahr 2000 war der Weiterbestand des Ausschusses gefährdet. Klaus Novak übernahm für kürzere Zeit interimistisch die Agenden, bevor die Obmannschaft bald darauf bis zum Jahr 2006/07 an Hermann Schönbauer übergeben wurde. „Er war auch jene Person, die mich 1975 mit der Vorarlberger Höhlenforschung bekannt machte“, schildert Büchel seinen Weg in den Verein und in die Obmannschaft.
„Hermann war mein Arbeitskollege und er hatte eine Tour ins Schneckenloch organisiert. Da bin ich dann einmal mitgegangen.“ Im Inneren des Berges entdeckte Büchel dann seine neue Leidenschaft. Im selben Jahr trat er dem Ausschuss bei und absolvierte bereits 1978 seine Höhlenführerprüfung.
„Die Höhlenforscherei ist in mehrfacher Hinsicht faszinierend“, schwärmt der ehemalige Obmann. „Zuerst einmal tun sich da Welten auf, die man sonst nicht kennt – Höhlen so groß wie Hallen, unterirdische Seen oder ansehnliche Tropfsteine. Weiter kann man diese Dinge gemeinsam mit Menschen entdecken, die ebenso für die Sache brennen.“
Diese werden praktisch zu engen Wegbegleitern, da die Anstrengungen oft groß sind und das Vertrauen zueinander in der Höhle entsprechend vorhanden sein muss. „Das Größte der Gefühle ist aber, wenn eine größere Höhle neu entdeckt wird“, schildert der Höhlenenthusiast. „Man betritt quasi einen Ort, den zuvor noch niemand betreten hat. Das ist schon beeindruckend.“
Doch (fast) jedem Sieg geht dabei ein kleiner Kampf voraus. Denn Höhen- und Platzangst sollte man bei dieser Tätigkeit nicht haben. Auch die Dunkelheit wird hier anders aufgenommen, ist die einzige Lichtquelle doch die Lampe am Helm. Gesehen wird nur so weit, wie der Lichtstrahl reicht. „Das macht dafür das Abseilen ein bisschen einfacher, da man nicht weiß bzw. nicht sieht, wie tief es hinuntergehen wird“, sagt Büchel und lacht. Nur die Beklommenheit in Engstellen im Fels gilt es ab und an zu überwinden.
Oft geht es nämlich nur im Liegen weiter, mit geringem oder keinem Abstand mehr zum Gestein. „Da kann es schon vorkommen, dass einem kurz einmal mulmig wird. Dann sollte man für eine kurze Dauer einfach nur ruhig liegen bleiben, bis alles überwunden ist“, so Büchel.
Wird eine Höhle einmal entdeckt, gehen die Forscher*innen behutsam vor. Sie arbeiten sich langsam vor, die Höhlen werden, so gut es geht, baldmöglichst vermessen. „Wenn es einmal hinuntergeht, müssen wir beginnen, uns abzuseilen“, so Emil Büchel. „Die Verankerung für die Seile müssen wir logischerweise selbst bohren.“ Aber auch das ist dank moderner Technik und Techniken heute wesentlich einfacher als früher. Die Bohrmaschine ersetzt die Handarbeit und die Einseiltechnik die vielen Leitern, die früher für den Auf- und Abstieg aneinandergebunden wurden.
Mit Stand von Ende 2019 sind im Kataster des Ausschusses 912 Höhlen und Halbhöhlen verzeichnet. Davon befinden sich 827 in Vorarlberg, 55 in Bayern (Gottesackergebiet) und 30 in Graubünden. Die Höhlen des Kleinen
Walsertals sind in dieser Auflistung nicht enthalten, da diese vom Münchner Höhlenverein bearbeitet werden. 806 dieser Höhlen sind sehr klein und kürzer als 50 m. „127 davon sind aber noch nicht besucht oder erforscht worden“, so Büchel. 88 Höhlen sind zwischen 50 und 499 m lang und 18 über 500 m. „Die längste Höhle ist das Weißplatten-Höhlensystem, dieses ist 512 m tief und 4206 m lang“, zeigt sich der Obmann stolz. Bei solchen Höhlen dauere es dann aber oft viele Jahre, bis sie einmal weitestgehend erforscht seien. Für längere Aufenthalte brauche es dann auch schon einmal ein Biwak in der Höhle. Doch nicht nur im Dunkeln lagen die größten Tätigkeitsfelder des Höhlenforschers, insbesondere nach seinem Antritt als Obmann. So war Büchel immer bestrebt, als Karst- und Höhlenausschuss beim Mutterverein, dem VLMV, zu bleiben. „Es gab davor schon Bestrebungen, einen eigenständigen Verein zu etablieren“, erzählt Büchel. „Meiner Ansicht nach war es aber immer das Beste, hier gemeinsame Sache zu machen.“
Neben der Forschungstätigkeit in Vorarlberg wurden auch verschiedene Exkursionen in ganz Österreich organisiert. „Für internationale Unternehmungen fehlten mir leider die Kontakte“, schildert der Höhlenforscher. Für die Forschung im Lande wurden durch die Mitgliedschaft von Alexander Klampfer, der aus Niederösterreich dazustieß, wesentliche Impulse gesetzt und besonders im Rätikon attraktive, aber auch schwierige Höhlen erforscht. Nicht vergessen werden sollte aber auch Gerhard Feuerstein aus Bizau. Er hat einiges zum heutigen Kenntnisstand über größere Höhlen im Bregenzerwald beigetragen.
Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld von Büchel war und bleibt auch nach der Abgabe der Obmannschaft weiterhin die jährliche Publikation „Neuigkeiten aus Karst und Höhlen“. Diese wurde bereits im Jahre 1986, damals in einfacherer Form, von Walter Krieg initiiert und besteht bis heute. Weiters führt Büchel das Amt des Katasterwarts aus. Im sogenannten Höhlenkataster werden alle Dokumentationen zu den Höhlen im Arbeitsgebiet des Ausschusses gesammelt und archiviert. „Ich bleibe dem Verein natürlich erhalten und stehe auch für Rückfragen jederzeit zur Verfügung“, so Emil Büchel. „Höhlenforschermäßig mache ich zudem weiter, solange es geht. Mir ist es wichtig, dass es einen geregelten Übergang gibt.“
Dieser scheint nun auch gelungen zu sein, Ronald Sottopietra wurde zu Jahresbeginn in seiner neuen Funktion von den Ausschussmitgliedern bestätigt. „Emil hat mich bereits zwei Mal vorgestellt, zuerst beim Landesmuseumsverein und dann nochmals bei den österreichischen Höhlenforschern“, so der neue Obmann, Ronald Sottopietra, der 2005 beim Verein aktiv wurde. Sein Interesse an Höhlen liegt aber viel weiter zurück. Schon als Kind ist er gerne in Höhlen gegangen, dieses Interesse wurde durch seinen Vater und seinen Großvater geweckt. In den 1990er Jahren war er aber mit seinem Studium der Sozialarbeit und mit seinen Kindern gut eingebunden. Nichtsdestotrotz suchte der heutige Obmann schon damals den Kontakt zu Walter Krieg. 1998 absolvierte er dann die Schluchtenführerausbildung, die Höhlenausbildung folgte fast zeitgleich. Die neuen Kenntnisse und Fertigkeiten konnte er dann auch gleich mit seiner Arbeit verbinden: „Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen.“ Hier sei es wichtig, andere Formen der Kommunikation zu finden, um eine Beziehung aufzubauen. Deshalb suchte der Sozialarbeiter nach Alternativen und fand in der Erlebnispädagogik eine für ihn ideale Methode. „Mit den Jugendlichen kann ich so sehr gut arbeiten, beim gemeinsamen Begehen einer Höhle oder einer Schlucht ist die Vertrauensfrage im Nu geklärt“, sagt Sottopietra. „Zudem sind Höhlen und Schluchten Plätze, die unbelastet von problematischen Lebenssituationen und beruflichen Themen sind. Man betritt gemeinsam einen völlig anderen Raumkontext.“
Somit habe eine Höhlenbefahrung auch etwas Meditatives, das auch stark mit Überwindung von Denkbarrieren zusammenhänge. „Der Begriff ‚nicht möglich‘ hat sich verändert, auch die Wahrnehmung der Natur ist eine völlig andere, wenn man sieht, dass sich Gestein mit seiner Kraft im Lauf der Zeit zu Räumen verändern kann“, schließt Sottopietra. „Jetzt befinde ich mich quasi in der Einschulungsphase“, sagt er. „Ich bin richtig froh, dass mich Emil auch weiter unterstützt.“ Weiter denke Sottopietra in seinem 67. Lebensjahr über den beruflichen Ruhestand nach, weshalb dann umso mehr Zeit in den Ausschuss und die Höhlenforscherei investiert werden könne. Und auch der Ausschuss stehe gut da, sind doch vor Kurzem gerade wieder zwei junge Mitglieder hinzugestoßen. Für den Fachausschuss ist für die Fortführung seiner Tätigkeiten somit alles auf Schiene.
Beitrag von Jakob Lorenzi
Zur Person
Emil Büchel
Beruf: Pensionist, ehem. Anlagentechniker
Familie: verheiratet, eine Tochter
Hobbys: Wandern, Höhlenforscherei, Musik, Computer
Zur Person
Ronald Sottopietra
Beruf: selbständiger Sozialarbeiter
Familie: verheiratet, drei Kinder
Hobbys: Höhlen, Schluchten, Canyoning
Kathrin Dünser:
Norbert Bertolini. Amateur, Lebemann, Automobilist
Historische Fahrzeuge, ein finnischer Riese, die Olympischen Winterspiele – Norbert Bertolinis Fotografien geben eindrucksvolles Zeugnis eines gehobenen bürgerlichen Lebens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aus einer betuchten Vorarlberger Familie stammend, ist Bertolini (1899–1982) wohl im besten Sinne als Müßiggänger zu beschreiben: Hobbys, die den Alltag bestimmten, Reisen, die angenehme Abwechslung waren – und eine Vorliebe für kreative Albereien, die für die Ewigkeit festgehalten wurden. Denn als leidenschaftlicher Amateurfotograf war eine Kamera sein steter Begleiter.
Informationen zur Publikation
Das Buch ist beim Residenz Verlag bestellbar.
Markus Barnay:
Mittendrin statt nur dabei. Nolde Luger und der kulturelle Aufbruch in Vorarlberg in den 70er-Jahren
Thomas Feurstein:
Nolde Luger persönlich
„Mein Credo: Die Formen des täglichen Lebens künstlerisch durchdringen, die Probleme des Auftraggebers zu meinen eigenen machen und dafür die beste Lösung in Form und Farbe finden.“ — Reinhold „Nolde“ Luger, 1967 zur Eröffnung seines ersten Ateliers.
Ein Buch über einen außergewöhnlichen Gestalter: Reinhold Luger gehörte zu den Anführern der kulturellen Protestbewegung in den 1970er-Jahren in Vorarlberg und lieferte stets gleich die passenden Drucksorten mit: bissige Plakate, Illustrationen und Flugblätter. Später zählen zu seinen Auftraggebern unter anderem die Bregenzer Festspiele und die Stadt- und Landbusflotten Vorarlbergs.
Mit Beiträgen und Interviews von Markus Barnay, Robert Fabach, Thomas Feurstein, Köbi Gantenbein, Andreas Koop, Christian Maryška, Werner Matt und Alfred Wopmann.
Informationen zur Publikation
Das Buch ist beim Birkhäuser Verlag (Degruyter) bestellbar.
Andreas Rudigier, Bruno Winkler (Hg.):
Einleitung
Andreas Rudigier:
Das vorarlberg museum zwischen 2016 und 2019
Angelika Wöß:
Jugend – Kultur – Mode. Ein Projekt
Sichten II rekapituliert die vergangenen Ausstellungen, Veranstaltungen und Kooperationen in Berichten der Herausgeber, Museumsmitarbeiter*innen und Kooperationspartner*innen.
Informationen zur Publikation
Das Buch ist im Eigenverlag erschienen und kann nach Wiedereröffnung im Museumsshop gekauft werden.
Schaurige Drachen oder hohe Türme, übermenschliche Kräfte, Feuer, Blut, Qualen und Heldenmut – all dies begleitet die Legenden um die 14 sehr unterschiedlichen Heiligen, die seit dem Spätmittelalter zu einer Art himmlischer Bündelversicherung zusammengeschlossen, gemeinsam angerufen und verehrt wurden. Wer zu den Nothelfern gehört? Da wären der hl. Christophorus, der hl. Achatius, der hl. Ägidius, die hl. Barbara, der hl. Blasius, der hl. Cyriacus, der hl. Dionysius, der hl. Erasmus, der hl. Eustachius, der hl. Georg, die hl. Katharina, die hl. Margareta, der hl. Pantaleon und der hl. Veit.
Ein Buch, das spannend und auch mit einigem Humor Geschichte, Entwicklung und Praxis der Heiligenverehrung erläutert und anschließend die einzelnen Heiligen und ihre Eigenheiten vorstellt. Verschiedene Beispiele aus Vorarlberg zeigen, wie die religiöse Praxis der 14 Nothelfer Gestalt annahm und sich die Nöte der Betenden in den ansprechenden Bildern konkretisierte.
Informationen zur Publikation
Das Buch ist über den Tyrolia Verlag bestellbar.